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Blind

Blind

Titel: Blind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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Spielbrett heraus – war ein Ouija-Brett eigentlich ein Spielbrett? Auf dem sepiafarbenen Brett befanden sich alle Buchstaben des Alphabets, die Worte JA und NEIN sowie Abbildungen einer Sonne mit einem irre grinsenden und eines Mondes mit einem finster dreinblickenden Gesicht. Auf das Brett legte Jude einen schwarzen Plastikzeiger, der die Form des Pik aus einem Kartenspiel besaß.
    »Ich war mir nicht sicher, ob ich es überhaupt noch finden würde«, sagte Georgia. »Schätze, ich hab das Ding seit acht Jahren nicht mehr in der Hand gehabt. Erinnerst du dich noch an die Geschichte, die ich dir erzählt habe? Von dem Geist, den ich in Bammys Garten gesehen habe?«
    »Bammys Zwillingsschwester.«
    »Hat mir höllische Angst eingejagt damals, hat mich aber auch neugierig gemacht. Die Menschen sind schon komisch. Erst wollte ich nur, dass das kleine Mädchen im Garten, also der Geist, wieder verschwindet. Aber als er dann weg war, hat's nicht lange gedauert, da wollte ich ihn wiedersehen. Ich wollte noch mal so eine Erfahrung machen, ich wollte noch mal einen Geist sehen.«
    »Tja, so geht's. Jetzt sitzt dir einer direkt im Nacken. Da soll noch mal einer sagen, Träume werden nicht wahr.«
    Sie lachte. »Egal. Bald nachdem ich im Garten Bammys Schwester gesehen hatte, hab ich mir in irgendeinem Schnäppchenladen das Brett hier gekauft. Eine Freundin von mir und ich haben immer damit rumgespielt. Wir haben die Geister über Jungs von unserer Schule ausgefragt. Oft hab ich den Zeiger heimlich bewegt und so getan, als würde er uns was erzählen. Meine Freundin, Sheryll Jane, hat natürlich gewusst, dass ich trickse, aber sie hat so getan, als würden wir wirklich mit einem Geist sprechen und hat immer ganz erstaunt die Augen aufgerissen. Ich hab den Zeiger rumgeschoben, und das Ouija-Brett hat ihr dann zum Beispiel erzählt, dass einer von den Jungs einen Slip von ihr in seinem Spind hat, und sie hat dann losgekreischt und gesagt: ›Hab ich doch gewusst, dass der ganz verrückt nach mir ist!‹ Sie hat nur mir zuliebe bei meinen albernen Spielchen mitgemacht.« Georgia rieb sich den Nacken. Dann fügte sie nachdenklich hinzu: »Einmal allerdings, da hat's wirklich funktioniert. Ich hatte den Zeiger keinen Millimeter bewegt.«
    »Vielleicht Sheryll Jane.«
    »Nein. Sie hatte zwar ihre Hand drauf, aber er hat sich von selbst bewegt, und wir haben's beide gewusst. Ich hab sofort gewusst, dass er sich von ganz allein bewegt,weil Sheryll ihre Show nicht abgezogen hat, aufgerissene Augen und so. Sheryll wollte, dass es aufhört. Dann hat uns der Geist erzählt, wer er ist, und sie sagt zu mir, dass sie das jetzt gar nicht mehr lustig findet. Und ich sage, ich tu gar nichts, und sie immer wieder, hör auf damit, hör auf. Aber den Zeiger hat sie trotzdem nicht losgelassen.«
    »Wer war der Geist?«
    »Ihr Cousin Freddy. Der hatte sich im Sommer aufgehängt. Mit fünfzehn. Die beiden haben sich ziemlich gemocht … Freddy und Sheryll.«
    »Was wollte er?«
    »Er hat erzählt, dass bei ihnen zu Hause in der Scheune Fotos von Jungs wären, die nur ihre Unterwäsche anhätten. Er hat uns genau erklärt, wo die Fotos sind, nämlich unter einer bestimmten Holzbohle. Er hat gesagt, seine Eltern sollten nicht erfahren, dass er schwul ist, er wollte ihnen nicht noch mehr Sorgen machen. Deshalb hätte er sich umgebracht, hat er gesagt, weil er nicht mehr schwul sein wollte. Dann hat er noch gesagt, Seelen wären keine Jungs und auch keine Mädchen, Seelen wären einfach nur Seelen. Da gibt's nicht schwul oder nicht schwul, und er hätte seiner Mutter ganz umsonst so viel Kummer gemacht. Daran erinnere ich mich genau, dass er das Wort ›Kummer‹ benutzt hat.«
    »Habt ihr nach den Fotos gesucht?«
    »Am nächsten Tag haben wir uns nachmittags in die Scheune geschlichen, und wir haben die Holzbohle auch gefunden, aber die war lose, da war nichts drunter. Dann stand plötzlich Freddys Vater hinter uns, hat uns angebrüllt, dass wir hier nichts zu suchen hätten, und hat uns aus der Scheune gejagt. Sheryll meinte, dass wir die Fotos nicht gefunden hätten, wäre der Beweis, dass alles gelogen wäre, dass ich das mit Freddys Geist nur vorgetäuscht hätte. Sie war echt sauer aufmich. Ich glaube aber, dass Freddys Vater die Fotos vor uns gefunden hat und dass er sie hat verschwinden lassen, damit keiner erfährt, dass sein Sohn schwul war. Die Art, wie er uns angeschrien hat, als ob er Angst hätte, dass wir vielleicht was wüssten.« Sie

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