Blinde Angst
steckte.
»Vielleicht töte ich uns alle.« Bedard hob den Arm über den Kopf. »Hier ist alles voller Sprengladungen.«
Sherry ließ den Kopf nach vorn auf ihre Brust sinken. Sie fragte sich, ob sie an seine Pistole herankommen konnte. Sie steckte im Halfter rechts an seiner Hüfte.
»Du gehst nirgendwohin«, erwiderte der Mann in ruhigem Ton. Sherry stellte sich ein Gesicht zu der Stimme vor. Ein Gesicht, das sie erst vor wenigen Minuten in den letzten Gedanken des toten Soldaten gesehen hatte. Ein Gesicht, das sie sich schon auf einem Berg namens Denali vorgestellt hatte.
Sie wusste, sie hätte eigentlich nicht überrascht sein sollen von der Ruhe in Metcalfs Stimme. Er war nicht gekommen, um zu verlieren. Metcalf würde keine Emotionen zeigen.
»Legt die Waffen nieder, ihr Idioten«, knurrte Bedard. »Die Waffen weg, oder ihr seid alle tot.«
»Wir haben einen Störsender«, sagte Metcalf gelassen.
»Quatsch«, höhnte Bedard.
»Kein Quatsch«, erwiderte Metcalf unbeeindruckt. »Eure Signale werden mit Störfunk blockiert. Der Zünder ist wertlos. Tötet sie.«
Gewehrschüsse krachten, und Männer gingen zu Boden, ohne das Feuer zu erwidern.
»Letzte Chance«, sagte Metcalf.
»Verdammt...«, stieß Bedard hervor, doch dann wurde er mit Sherry im Arm zur Seite gerissen, als ihn eine Kugel in die Schulter traf. Sie atmete tief ein und stieß mit dem Kopf nach hinten, genau gegen den Verband an Bedards Hals.
Er ließ sie nicht los, doch Sherry setzte sein Gewicht gegen ihn ein und zog ihm mit dem Knie das linke Bein weg, sodass er auf den Rücken fiel. Sie spürte, wie seine Hand zur Pistole ging, doch etwas Schweres landete auf ihm und drückte ihn zu Boden, und Carol Bishop schrie »Stirb!«, als Aleksandra ihm Yousys Haarnadel in sein sehendes Auge bohrte.
31
An der Küste Haitis
Rolly King George saß unter dem ruhigen Sternenhimmel im Pilotensessel auf der Flying Bridge seines Bootes, während das Wasser sanft gegen die Bordwand schlug. Sie trieben vor der Südwestküste Haitis dahin. Es war jetzt eine halbe Stunde her, seit sie die Meldung bekommen hatten, dass aus der KC-130 Hercules Männer über Contestus abgesprungen waren.
Brigham war unten in der Kabine und sprach am Handy mit jemandem in den Staaten. Seit sie vor fast vier Stunden von Frenchman's Cove in Jamaika aufgebrochen waren, stand er fast ununterbrochen mit jemandem in telefonischem Kontakt.
Die Kabinentür ging auf und wieder zu, und George hörte, wie Brigham die Leiter zur Brücke hochstieg.
»Wir gehen an Land, Rolly«, sagte der Admiral im Ruhestand und legte dem Inspektor die Hand auf die Schulter.
»Wir holen sie vom Strand in Tiburon ab.«
»Alle, Sir?«
»Alle bis auf einen«, antwortete Brigham mit heiserer Stimme und blickte auf die Sterne am Horizont hinaus. Es waren Emotionen, die der Admiral lange nicht mehr empfunden hatte – die Liebe und die Ängste, über die in einer Waffenbrüderschaft nie gesprochen wurde. Außerdem ging es um Sherry Moore. Sie war fast wie eine Tochter für ihn. Seine Frau war verstorben. Seine Eltern und alle nahen Angehörigen ebenso. Sherry war alles, was er noch hatte, und er war froh und erleichtert, sie wiederzuhaben.
Captain Metcalf ließ seine Männer und die Frauen auf einen der Lastwagen steigen, die auf dem Gelände standen. Sie hatten nicht vorgehabt, irgendwelche haitianischen Zivilisten von der Insel mitzunehmen, bis Hettie ihn darum ersuchte. Sie bat nur, dass sie kurz bei ihrer Hütte anhielten, weil sie noch etwas holen wollte.
Brigham und der Inspektor sahen die Scheinwerfer des Lasters auftauchen und im Dorf anhalten. Sie erwarteten keinen Widerstand; die haitianischen Polizisten waren auf ihre Stationen beordert worden und sollten keine Bedrohung darstellen. Doch Inspektor George hatte Waffen für sie beide mitgenommen, und sie waren bereit, sich zu verteidigen, wenn es sein musste.
Es dauerte jedoch nur wenige Minuten, bis Captain Metcalf mit dem Lastwagen angebraust kam und mit den Vorderrädern im Salzwasser anhielt. Er sprang aus dem Fahrerhaus und ließ seine Männer und die Frauen von der Ladefläche steigen. Brigham sprang aus dem Boot und lief Sherry entgegen. Die Soldaten trugen die Leiche ihres toten Kameraden an Bord, dann Pioches Leiche, während Carol Aleksandra stützte. Hettie hatte Amauds Bild unter dem Arm und hielt Yousy an der Hand, als sie sich von Rolly King George an Bord helfen ließ.
Da kam eine kleine Gestalt über den Strand gehetzt, und
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