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Blinde Angst

Titel: Blinde Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George D Shuman
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polnischen Armee gedient und die Militärakademie besucht. Sie war darauf trainiert, auch längere Belastungen in einer Gefechtssituation zu ertragen, und wusste, wie der Körper in solchen Fällen reagierte. Der Stress des Kampfes trieb den Blutzuckerspiegel in die Höhe und verminderte gleichzeitig die Verdauungstätigkeit. Wenn die Milz rote Blutkörperchen auszuschütten begann, um den erhöhten Sauerstoffbedarf zu decken, wurden große Mengen Cortisol und Adrenalin in den Kreislauf gepumpt. Wenn die Auseinandersetzung schnell beendet war, legten sich die Gegenmaßnahmen des Körpers wieder. Wenn sich das Gefecht jedoch in die Länge zog, veränderten sich die biologischen Reaktionen des Körpers, rund vierzehnhundert an der Zahl, um dem extremen Stress zu begegnen. Diese Vorgänge blieben nicht ohne bestimmte äußerlich erkennbare Auswirkungen; der Betreffende zeigte ein unwillkürliches Muskelzucken, nervöses Zittern, Müdigkeit; und bekam Darmprobleme. Schließlich begann man Sachen zu vergessen und verlor die Fähigkeit, Probleme zu lösen und den Unterschied zwischen wichtigen und nebensächlichen Dingen zu erkennen.
    Das schlafende Mädchen war schon fast in diesem Stadium angelangt. Die junge Amerikanerin bekam immer weniger von dem mit, was um sie herum passierte.
    Aleksandra wischte sich die Hände an ihrem T-Shirt ab und stand wieder auf. Sie drückte ein Auge an das Loch in der Tür und sah sich in dem Keller um. Dann hörte sie Schritte im Korridor – eine Person kam in ihre Richtung.
    Das Mädchen hinter ihr drehte sich um, stöhnte und atmete hörbar ein. Eine Sekunde später atmete sie gleichmäßig weiter und begann wieder leise zu schnarchen.
    Die Schritte kamen näher. Aleksandras Herz begann in ihrer Brust zu pochen.
    Sie versuchte ihre Emotionen im Zaum zu halten, während sie den Kopf an die Holztür drückte.
    Das Wort Schicksal kam ihr wieder einmal in den Sinn. Wenn es wirklich so etwas gab – was würde dann heute ihr Schicksal sein?
    Manchmal beneidete sie das schlafende Mädchen hinter ihr; es gab Momente, in denen es ihr verlockend erschien, sich in einer Ecke zusammenzurollen und am Daumen zu saugen. Aber dann dachte sie an ein junges rothaariges Mädchen, das sie vor Monaten auf einem Schiff gesehen hatte und das heute hier irgendwo unter diesen Gemäuern begraben war. Sie wollte nicht so enden wie sie. Sie wollte nicht, dass diese widerwärtigen Männer über ihr Schicksal entschieden.
    Sie hörte Stiefel auf dem schmutzigen Lehmboden – sie waren vielleicht noch zehn Meter entfernt und würden jeden Moment in ihr Blickfeld treten –, und dann tauchte der Mann mit der grünen Hose plötzlich vor der Tür auf, und sie spürte, wie ihr Herz wie wild schlug.
    Wieder flammte dieses Wort in ihr auf: Schicksal. An Schicksal zu glauben bedeutete letztlich, davon auszugehen, dass alles vorherbestimmt war, dass am Ende alle als Opfer auf die Welt gekommen waren, um genau dieses Schicksal zu erleiden, um an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Stunde zugrunde zu gehen. Es war eine himmelschreiende Ungerechtigkeit – aber konnte es nicht vielleicht sein, dass das Schicksal in beide Richtungen wirksam sein konnte? Im Guten wie im Schlechten? Wenn das Schicksal sie hierher geführt hatte – konnte es sein, dass es ihr dann auch den Mann mit der grünen Hose geschickt hatte, um sie zu retten?
    Seine Hand erschien in der Türöffnung, und er schob einen kleinen zylindrischen Gegenstand hindurch. Dann drehte er sich um und ging weg.
    O mein Gott, mein Gott. Ihre Lippen formten die Worte lautlos.
    Sie sah ihm nach, bis er verschwand, dann lehnte sie sich an die Tür und ließ sich zu Boden sinken. Einige Augenblicke saß sie nur da und sah ihre erschöpfte Zellengenossin an. Schließlich griff sie nach dem kleinen Gegenstand und rollte ihn auseinander; ihr Herz pochte und Tränen traten ihr in die Augen.
    Es war ein Stück Zigarettenpapier, das um einen Bleistiftstummel gewickelt war.
    Es war fast nicht zu glauben. Sie hatten plötzlich eine echte Chance. Vielleicht, so dachte sie, kamen sie doch noch lebend hier heraus.
    Sie wusste, dass sie keinen Einfluss darauf hatte, was der Mann mit dem Papier machte, wenn er von hier wegging. Es war allein seine Entscheidung, wie er weiter vorging. Sie konnte nur beten, dass er nicht nur mitfühlend, sondern auch klug genug war, um die Botschaft den richtigen Leuten zu zeigen. Und dass sie die Telefonnummer in Warschau anrufen würden, die sie

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