Blinde Flecken: Schwarz ermittelt
war.«
»Sondern?«
»Jemand aus dem Umfeld von Tim Burger.«
Der Kommissar blieb abrupt stehen. »Wie kommst du denn darauf, Anton?«
»Die Celiks haben damals dafür gesorgt, dass Burger am Tatort verhaftet wurde. Es war ein Racheakt, Kolbinger.«
»Ein Racheakt, kann sein. Aber in dem Haus wohnen Kurden und Anatolier, Albaner, Serben und Bosnier. Du weißt, wie viel Sprengstoff das bedeutet?«
»Ich habe Burger heute im Knast besucht.«
»Und er hat dir verraten, dass er den Auftrag zur Brandstiftung erteilt hat?«
»Natürlich nicht, aber mein Gefühl sagt es mir.«
»Dein Gefühl«, höhnte Kolbinger. »Frag lieber dein Gehirn. Es würde dir sagen, dass das an den Haaren herbeigezogen ist. Ich hab dich vor dem Auftrag gewarnt, du siehst ja jetzt schon Gespenster.«
Schwarz ließ sich nicht verunsichern. »Du musst die Bewohner mal fragen, ob sie jemanden beobachtet haben, der bei ihnen im Haus herumgeschnüffelt hat.«
Der Jüngere holte tief Luft. »Ich muss gar nichts.«
Schwarz blickte ihn irritiert an.
»Pass auf, Anton. Ich werde dir nie vergessen, was du für mich getan hast, aber es geht nicht, dass du mir immer noch in die Ermittlungen zu pfuschen versuchst.«
»Zu pfuschen?«
»Nenn es meinetwegen Einfluss nehmen. Du bist jetzt fast fünf Jahre weg …«
»Vier.«
»Und tust immer noch so, als hättest du nur einen freien Tag genommen.«
»Ich bin halt ein anhänglicher Mensch.«
Kolbinger hob pathetisch die Arme zum Himmel. »Wann wirst du dich endlich damit abfinden, dass du draußen bist?«
»Ich wollte eigentlich nicht über mich reden«, sagte Schwarz. »Ich bitte dich nur, dass du die Spur zu Burger vor lauter Kurden, Anatoliern und Serben nicht aus den Augen verlierst.«
»Du bist so was von stur.«
Schwarz grinste und ließ den Exkollegen stehen.
Er ging nachdenklich die Stufen zum Dom hoch und betrat ihn über den Seiteneingang. Er war nie sehr gläubig gewesen. Seine Mutter hatte die religiöse Bildung ihres Sohnes von Anfang an in fremde Hände gelegt, und die katholischen Religionsstunden am Gymnasium Geretsried waren ohne tiefere Wirkung geblieben. Immerhin hatte Schwarz den Unterricht nicht völlig ungenutzt verstreichen lassen. Während ein Großteil der Klasse vor dem salbungsvollen Vortrag eines ehemaligen, damals aber schon verheirateten, Priesters in den Schlaf flüchtete, entwickelte er eine raffinierte Schlauchkonstruktion, mit deren Hilfe der Inhalt einer Bierflasche aus der Schultasche in seinen Mund gelangte.
Später hatte er es sich angewohnt, hin und wieder um himmlische Unterstützung zu bitten. Er glaubte zwar nicht ernsthaft, dass er gehört wurde, fühlte sich aber irgendwie besser dabei.
Schwarz warf einen Euro in den Opferkasten und griff zu einer Kerze. Mit dem Fingernagel ritzte er seine Initialen ins Wachs, was kein magisches Ritual, sondern ein Akt des Misstrauens war. Einmal hatte er beobachtet, wie ein Messner, kaum dass der Gläubige gegangen war, dessen Opferkerze ausgeblasen, neu zugeschnitten und zu den frischenzurückgelegt hatte. Ein solch weltlicher Pragmatismus widersprach sogar Schwarz’ eher schwach ausgeprägter Spiritualität.
Worum will ich überhaupt bitten?, dachte er. Dass ich den Auftrag zu Loewis Zufriedenheit erledige? Zu banal. Dass mir bei meinen Ermittlungen nichts passiert? Blödsinn. Dass Burger und seine Kameraden nicht noch mehr Unheil anrichten? Eine zu dreiste und umfangreiche Forderung. Immerhin zahle ich nicht mal mehr Kirchensteuer.
Schließlich beschloss er, es dem lieben Gott selbst zu überlassen, was ihm der Euro wert war, und verließ den Dom ohne Kreuzzeichen.
22.
»Wir müssen über deine Mutter reden«, sagte Monika, als sie an Schwarz vorbei in den ehemaligen Tanzsaal trat.
Schau dich doch erst mal um, dachte er. Seit ich hier wohne, warst du noch nie hier. Obwohl ich es mir so gewünscht habe.
Monika ging einige Schritte bis zu dem Kleiderberg. »Hast du keinen Schrank?«
»Noch nicht.«
Sie schüttelte seufzend den Kopf. »Du wohnst hier seit zwei Jahren, Anton.«
»Seit drei«, verbesserte er sie, »Luisa war achtzehn.«
Monika ging weiter und blieb plötzlich wie angewurzelt stehen.
»Wieso hast du die Fotos aufgehängt?«
Schwarz lächelte verlegen.
Sie deutete auf die Aufnahme, auf der sie mit der vier Tagealten Luisa aus der Klinik in der Maistraße trat. »Da rümpfe ich übrigens nicht die Nase, weil mir was nicht passt.«
»Sondern weil du gleich niesen wirst«, sagte
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