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Blinde Goettin

Blinde Goettin

Titel: Blinde Goettin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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war.
    »Makrelenburger. Köstlich!« Mit vollem Mund und Tomatenspritzer auf die weiße Tischdecke verteilend, brabbelte er weiter. »Gib’s zu, ihr habt euch Lavik geschnappt. Das seh’ ich dir an. Ich wußte ja die ganze Zeit, daß bei dem was nicht stimmt. Ich kapier’ einiges, weißt du.«
    Der Blick, den er über den Rand seiner zu kleinen Brille warf, war herausfordernd, aber nicht sonderlich sicher.
    Håkon leistete sich ein Lächeln und ließ sich viel Zeit mit der Margarine.
    »Nenn mir einen guten Grund, warum ich dir überhaupt irgendwas erzählen sollte!«
    »Ich kann dir sogar mehrere nennen. Erstens: Gute Information ist der beste Schutz vor Fehlinformation. Zweitens: Morgen werden die Zeitungen voll sein von dem Fall. Du glaubst doch wohl nicht, daß die Zeitungen es nicht spätestens nach einem Tag mitkriegen, wenn ein Anwalt verhaftet wird. Und drittens …« Er unterbrach sich, wischte sich mit den Fingern seinen Tomatenschnurrbart ab und beugte sich einschmeichelnd über den Tisch. »… drittens haben wir bisher doch gut zusammengearbeitet. Und es kann für uns beide nur gut sein, wenn wir so weitermachen.«
    Polizeiadjutant Håkon Sand schien sich überzeugen zu lassen. Fredrick Myhreng rechnete sich das höher an, als angemessen war. Denn während Myhreng in Erwartung ungeheuer spannender Neuigkeiten wie ein braver Schulbub dasaß und wartete, gönnte Håkon Sand sich eine lange, wohltuende Dusche. Den Ordner, über dem er bis tief in die Nacht gebrütet hatte, nahm er mit ins Badezimmer.
    Er brauchte fast eine Viertelstunde, und in dieser Zeit entwarf Håkon die Skizze einer Zeitungsgeschichte, die einen soliden Warnschuß für den- oder diejenigen bedeuten würde, die irgendwo draußen im dunklen November saßen und mit den Zähnen klapperten. Denn davon, daß da Leute saßen, war Håkon überzeugt. Also mußte er sie hervorlocken. Oder hervorängstigen …

MONTAG, 23. NOVEMBER
    Es gab den absoluten Zirkus. Drei Fernsehkameras, zahllose Pressefotografen, mindestens zwanzig Journalisten und jede Menge Schaulustige hatten sich im großen Foyer des Gerichtsgebäudes versammelt. Die Sonntagszeitungen hatten sich gegenseitig übertroffen. Bei näherem Hinsehen berichteten sie kaum mehr, als daß ein fünfunddreißigjähriger Anwalt aus Oslo unter dem Verdacht verhaftet worden war, als Hintermann einer Rauschgiftorganisation zu fungieren. Mehr wußten die Journalisten nicht. Aber sie hatten viele Spalten damit gefüllt. Aus diesen dürftigen Zutaten hatten sie eine inhaltsreiche Suppe gekocht, wobei Laviks Kollegen ihnen eine gute Hilfe gewesen waren; sie hatten sich in fetten Interviews ausdrücklich von der unerhörten Festnahme eines lieben und geachteten Kollegen distanziert. Daß die geehrten Kollegen von dem Fall keinerlei Ahnung hatten, hinderte sie nicht daran, sprachlich alle Register zu ziehen. Der einzige, aus dem die Journaille keinerlei Informationen hatte herauslocken können, war derjenige, der wirklich etwas wußte, nämlich Christian Bloch-Hansen, Anwalt beim Obersten Gericht.
    Es war schwer, sich einen Weg durch die Menschenmenge zu bahnen, die den Eingang zu Gerichtssaal 17 versperrte. Obwohl nur zwei oder drei der anwesenden Journalisten ihn erkannten, reagierte die Menge wie eine Taubenschar, als ein Fernsehheini dem Anwalt ein Mikrophon vor die Nase hielt. Der Fernsehjournalist war durch ein Kabel mit seinem Mikrophon und dem Kameramann verbunden, einem zwei Meter großen Kerl, der ins Stolpern kam, als der Interviewer plötzlich an der Leitung zog. Er kämpfte sekundenlang um sein Gleichgewicht und wurde einen Moment lang nur durch die Umstehenden auf den Beinen gehalten. Nur für einen Moment. Dann kippte er um und riß im Fallen sechs andere mit. In diesem vollendeten Chaos schlüpfte Bloch-Hansen in aller Stille in den Saal 17.
    Håkon Sand und Hanne Wilhelmsen hatten es nicht einmal versucht. Sie saßen in einem Streifenwagen mit abgedunkelten Fenstern, bis Lavik, die übliche Jacke über dem Kopf, durch den Torweg neben dem Haupteingang geführt wurde. Kaum jemand achtete auf den armen Roger aus Sagene, sein beiger Parka, den er sich über die Ohren gezogen hatte, sah einfach nur komisch aus. Gleich darauf waren alle Schaulustigen im Gericht verschwunden, und Hanne und Håkon konnten sich durch die polizeieigene Hintertür hineinschieben. Sie betraten den Verhandlungssaal vom Keller her.
    Ein verhuschter Gerichtsdiener gab sich alle Mühe, im Saal für Ordnung zu

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