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Blinde Goettin

Blinde Goettin

Titel: Blinde Goettin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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Zivil standen mit im Rücken verschränkten Händen breitbeinig vor der geschlossenen Bürotür, als ob sie jeden Moment damit rechneten, daß der Anwalt einen Fluchtversuch in eine Freiheit unternehmen könnte, die für ihn in einiger Zukunft lag, wie er selbst ahnen mußte. Sogar die Deckenlampe zitterte vor Aufregung und Wut, als ein schwerer Lastwagen über die Kreuzung jagte, um es noch bei Gelb zu schaffen.
    »Was ist das«, heulte er, nachdem er den blauen Zettel mindestens sechsmal gelesen hatte. »Was, zum Teufel, ist das?«
    »Das ist ein Haftbefehl. Du wirst verhaftet, festgenommen, wenn du so willst.« Hanne zeigte auf den Zettel, der nach dem Wutausbruch des Anwalts halb zerrissen auf dem Schreibtisch lag. »Hier steht, warum. Du hast Zeit, Widerspruch einzulegen. Jede Menge Zeit. Aber jetzt kommst du mit uns.«
    Der wütende Mann nahm sich krampfhaft zusammen. Seine Kiefermuskulatur wogte auf und ab, und sogar die Männer an der Tür konnten sein heftiges Zähneknirschen hören. Er schloß und öffnete rasend schnell die Hände; nach einer Minute war er ein wenig ruhiger.
    »Ich muß meine Frau anrufen. Und ich muß einen Anwalt verständigen. Geht so lange ins Vorzimmer.«
    Die Kommissarin lächelte. »Von jetzt an und in absehbarer Zeit darfst du mit niemandem reden, wenn kein Polizist anwesend ist. Mit Ausnahme deines Anwalts natürlich. Und der muß warten, bis wir im Polizeigebäude sind. Zieh dich jetzt an. Mach keinen Ärger. Das bringt niemandem hier was.«
    »Aber meine Frau!« Jetzt wirkte er fast weinerlich. »Sie erwartet mich in einer Stunde!«
    Es konnte nichts schaden, wenn er seiner Frau Bescheid sagen durfte. Das würde sie wenigstens in diesem Punkt vor Kritik schützen. Hanne nahm den Hörer vom Telefon und reichte ihn ihm.
    »Erzähl ihr, was du willst. Du kannst gern sagen, daß wir dich verhaftet haben, aber kein Wort darüber, warum. Ich unterbreche das Gespräch, sowie du etwas sagst, das mir nicht paßt.«
    Sie streckte einen warnenden Finger nach der Gabel aus und ließ ihn seine Nummer wählen. Das Gespräch dauerte nicht lange, er sagte die Wahrheit. Hanne hörte eine weinende Stimme immer wieder fragen: »Warum, warum?« Bewundernswerterweise konnte er Fassung bewahren, abschließend sagte er, sein Anwalt werde sich später am Abend bei ihr melden. Er knallte den Hörer auf die Gabel und erhob sich.
    »Bringen wir dieses Schauspiel hinter uns«, sagte er mürrisch, zog seinen Mantel verkehrt herum an, fluchte, als er das merkte, korrigierte seinen Irrtum und sah die beiden Männer neben der Tür an. »Wollt ihr mich auch noch in Ketten legen?«
    Das blieb ihm erspart. Fünfzehn Minuten später stand er in der Arrestabteilung des Polizeigebäudes. Die hatte er auch früher schon besucht. Aber das hatte ganz anders ausgesehen.
     
    Jørgen Laviks Wahl eines Anwalts hatte alle überrascht. Sie hatten einen der wenigen Superstars erwartet und sich auf die wahre Hölle vorbereitet. Gegen sechs Uhr abends tauchte dann Christian Bloch-Hansen auf, korrekt und leise, stellte sich Hanne und Hauptkommissar Kaldbakken vor und bat höflich um ein Gespräch mit Håkon Sand, ehe er sich zu seinem Mandanten begab. Das Gespräch wurde ihm natürlich gewährt. Er hob leicht die Augenbrauen, als ihm ein dünner Ordner mit Kopien überreicht wurde, dann akzeptierte er ohne große Widerworte Håkons Erklärung, er könne leider nur diese Dokumente vorlegen, wenn er die Ermittlungen nicht behindern wolle. Bloch-Hansen ließ sich nicht provozieren. Er war seit dreißig Jahren in der Branche und wurde allseits geachtet und geschätzt. Der durchschnittliche Zeitungsleser kannte seinen Namen nicht. Er war nie PR-geil gewesen, er schien jegliches Aufheben um seine Person vermeiden zu wollen. Was wiederum seinen guten Ruf vor Gericht und im Ministerium stärkte und ihm allerlei Ämter und Sonderaufträge eingebracht hatte, die er allesamt mit Gründlichkeit und solidem Fachwissen erledigte.
    Håkon Sands erste Erleichterung angesichts des angenehmen Gegners mußte bald der Erkenntnis weichen, daß er den schlimmsten aller möglichen Widersacher erwischte hatte. Christian Bloch-Hansen, Anwalt beim Obersten Gericht, würde keinen Krach schlagen. Er würde nicht für Schlagzeilen in der Boulevardpresse sorgen. Er würde sich auch nicht an Bagatellen festbeißen. Er würde sie zerpflücken. Nichts würde er übersehen. Außerdem war er ein Fuchs, wenn es um Strafprozesse ging.
    Der gepflegte Anwalt

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