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Blinde Goettin

Blinde Goettin

Titel: Blinde Goettin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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Zeit bis Montag um eins, um einen wasserdichten Antrag zusammenzuschustern. So gesehen, ist Freitagnachmittag ein hervorragender Festnahmetermin.«
    Es wurde ganz still. Die Polizeipräsidentin, die nervös und unwohl wirkte, saß aufrecht in ihrem riesigen Chefsessel, ohne die Rückenlehne zu berühren. Dieser Fall konnte zu einer Belastung werden, und da hatten sie wirklich keinen Bedarf. Das Dasein der Polizeipräsidentin war viel anstrengender, als sie sich das vorgestellt hatte. Jeden Tag Kritik und Dreck. Dieser Fall konnte ihr ein Heidentheater einbringen. Eine große Ader pochte unschön an ihrem mageren Hals.
    Der Drogenchef hatte sein unpassendes Lächeln noch immer im Gesicht. Er sah nicht sehr intelligent aus mit diesem dämlichen Grinsen und seinen Glotzaugen. Der Staatsanwalt stand auf und ging zum Fenster. Er drehte den anderen den Rücken zu und redete, als ob seine Zuhörer draußen auf einem Gerüst stünden. »Strenggenommen muß das Gericht die Festnahme genehmigen«, sagte er. »Wir kriegen einen Höllenärger, wenn wir uns nicht vorher an die wenden.«
    »Aber das machen wir doch nie«, protestierte Håkon.
    »Nein«, sagte der Staatsanwalt und fuhr herum. »Aber wir sollten das tun. Na ja … du kriegst den ganzen Dreck ab! Wie willst du dich dagegen wehren?«
    Seltsamerweise schien Håkons Nervosität sich zu legen. Der Staatsanwalt war auf seiner Seite. Im Grunde.
    »Ehrlich gesagt: Wir können ihn nicht festnehmen, wenn wir die Fingerabdrücke nicht geltend machen. Wir kriegen keine Fingerabdrücke, solange wir ihn nicht festgenommen haben. Hoffentlich ist sein Verteidiger am Wochenende beschäftigt. So sehr, daß er keine Zeit hat, sich um Formalitäten zu kümmern. Ich bin bereit, mich der Kritik zu stellen. Und da wir ja selbst entscheiden müssen, ob wir vor einer Festnahme das Gericht befragen, können sie uns keine allzu großen Vorwürfe machen, wenn wir es nicht tun. Schlimmstenfalls werden wir angepöbelt. Und das kann ich ertragen.«
    Der kleine Mann im Fliegerhemd lächelte und ließ seinen Blick zu Hanne Wilhelmsen wandern. »Wie geht es dir denn eigentlich? Hast du dich von dem Überfall richtig erholt?«
    Sie fühlte sich fast geschmeichelt, und das ärgerte sie. »Mir geht’s gut, danke. Aber wir wissen noch immer nicht, wer das war. Wir glauben, daß es mit dem Fall zusammenhängt, vielleicht finden wir ja auch da neue Spuren.«
    Es wurde langsam dunkel. Aus der Tiefe des Hauses hörten sie ferne Blasmusik. Die Polizeikapelle übte. Alle hatten sich wieder gesetzt, und Hanne raffte ihre vielen Unterlagen zusammen.
    »Ganz zum Schluß, Sand: Wie willst du die Anklage gegen Lavik formulieren? Unbekannte Menge, unbekannter Ort, unbekannter Zeitpunkt und so was?«
    »Wir nehmen die Menge, die wir bei Frøstrup gefunden haben, zwanzig Gramm Heroin, vier Gramm Kokain. Nicht sehr viel, aber mehr als genug für U-Haft.«
    »Nehmt einen Posten II in die Anklage auf«, befahl der Staatsanwalt. »Weil er in den letzten Jahren eine unbekannte Menge Narkotika eingeführt hat oder so.«
    »Na gut«, antwortete Håkon mit kurzem Nicken.
    »Außerdem« fügte der Staatsanwalt hinzu und wandte sich an den Drogenchef. »Warum hat die Elf diesen Fall? Sollte sich da nicht die A 2.4 drum kümmern? Das ist doch ein Rauschgiftfall, auch wenn die Morde dazugehören.«
    »Wir arbeiten zusammen«, sagte Hanne Wilhelmsen blitzschnell, ohne eine Antwort des Drogenchefs abzuwarten. »Wir arbeiten sehr gut zusammen. Und die Morde liegen doch schließlich allem zugrunde, wie du selbst sagst.«
    Die Besprechung war zu Ende. Die Polizeipräsidentin hatte kaum ein Wort gesagt. Sie reichte dem Staatsanwalt zum Abschied die Hand, die anderen wurden mit kurzem Nicken bedacht. Håkon verließ das Zimmer als letzter und drehte sich in der Tür um, um einen letzten Blick auf die schöne Skulptur zu werfen. Die Polizeipräsidentin sah das und lächelte.
    »Viel Glück, Håkon. Ich wünsche dir wirklich Glück.« Es klang so, als ob sie das ehrlich meinte.

FREITAG, 20. NOVEMBER
    Hätte er kleine grüne Marsmännchen mit roten Augen vor sich gehabt, hätte er nicht verblüffter wirken können. Sogar Hanne Wilhelmsen überkamen einen Moment lang Zweifel. Anwalt Jørgen Lavik las immer wieder den blauen Zettel und starrte sie aus weitaufgerissenen Augen an. Dazu stieß er leise klagende, kehlige Laute aus. Sein Gesicht war aufgequollen und dunkelrot, er schien unmittelbar vom Herzinfarkt bedroht. Zwei Polizisten in

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