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Blinde Voegel

Blinde Voegel

Titel: Blinde Voegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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treffen uns bei mir. Aber krieg keinen Schreck, es ist nicht aufgeräumt.»
    Erst als sie die Tür aufschloss und den ersten Schritt in die Wohnung tat, in der es muffig und ein bisschen nach angebrannter Milch roch, dämmerte ihr, dass Florins Besuch doch keine so gute Idee gewesen sein könnte. Sie versuchte, ihn sich auf ihrer Couch vorzustellen, zwischen Jakobs zusammengeknüllter Kuscheldecke und seinen malerisch verstreuten Legosteinen, und hörte sich selbst auflachen. Sehr wahrscheinlich, dass Florin Beatrice danach mit anderen Augen sah.
    Aber dann ist das eben so. Sie riss die Fenster auf, sammelte die Schmutzwäsche auf, die Mina auf dem Badezimmerboden hatte liegen lassen, und stopfte herumliegende Zeitungen in die Altpapierbox.
    Dann endlich befreite sie sich von der Perücke, löste sämtliche Klammern aus ihrem Haar und rieb sich mit beiden Händen die Kopfhaut. Wenn sie sich beeilte, würde sie geduscht und umgezogen sein, bevor Florin eintraf.
    Er klingelte, als sie gerade die letzten Reste Shampoo ausspülte. Blind tastete sie nach einem Handtuch und schlang es sich um Kopf, bevor sie aus der Wanne stieg. Im Bademantel und unter Hinterlassung einer schaumigen Tropfspur tappte sie zur Tür. Durch die Leitung der Gegensprechanlage klang Florins Stimme blechern.
    «Bin ich zu früh?»
    «Nur ein bisschen. Komm rauf, zweiter Stock, ich lasse dir die Tür offen, und wenn du fünf Minuten im Wohnzimmer wartest, stoße ich zu dir. Mit Getränken.»
    Sie drückte den Öffner und ging ins Bad zurück, erstaunt darüber, dass sie es plötzlich nicht mehr eilig hatte. Es war ohnehin Quatsch, sich und ihre Lebensumstände auch nur annähernd perfekt präsentieren zu wollen. Sie hoffte bloß, dass Florin nicht auf der Seifenspur im Vorzimmer ausrutschen würde.
    Als sie in Jogginghose, Sweatshirt und mit feuchtem Haar das Wohnzimmer betrat, saß er schon da, vor sich auf dem Couchtisch eine Flasche Rotwein.
    «Hallo, Bea. Es tut mir leid, mir ist erst im Auto klargeworden, wie aufdringlich es ist, nach so einem langen Tag auch noch herzukommen, aber –», er hob die Arme in einer hilflosen Geste, «ich dachte, du erzählst mir deine Eindrücke, solange sie frisch sind. Wenn es dir zu viel wird, gehe ich sofort.»
    Sie antwortete nicht gleich, sondern ließ das Bild auf sich wirken, das Florin auf ihrer ausgeblichenen, filzstiftbefleckten Couch bot. Er trug Jeans und Poloshirt, vielleicht war der Kontrast deshalb weniger schroff, als sie erwartet hatte. Oder es lag daran, dass er sich offenbar wohl fühlte, so wie er die Arme auf der Rückenlehne abgelegt hatte. Es sah fast so aus, als würde er gleich die Füße hochlegen wollen.
    «Schon gut. Ich bin ja froh, dass du hier bist.» Sie deutete auf die Flasche. «Soll ich Gläser holen?»
    «Ja, bitte. Ich wollte nicht herumstöbern, und der Wein sollte ohnehin noch einige Zeit atmen.» Aus der Stofftasche, die zu seinen Füßen stand, kramte er Päckchen mit Pistazien und Cashew-Kernen heraus. «Und vielleicht zwei kleine Schüsselchen?»
    Sie holte das Gewünschte aus der Küche und musste dabei schmunzeln. Wann hatte Florin eigentlich beschlossen, sie bei jeder Gelegenheit zu füttern?
    Erst als sie sich setzte und für einige Sekunden die Augen schloss, merkte sie, wie müde sie war.
    «Ich habe vorhin noch telefoniert und für Ehrmann morgen eine kurzfristige Vernehmung durch den Ermittlungsrichter beantragt. Falls er also nicht freiwillig mit uns sprechen will …» Florin zuckte die Schultern. «Und du bist sicher, er weiß etwas?»
    «Ja.» Sie öffnete die Augen wieder, blinzelte und nahm das Glas entgegen, das Florin ihr hinhielt.
    «Er hat eine Andeutung an die nächste gereiht, ganz offensichtlich um mich zu prüfen. Irgendwann hat er leider begriffen, dass ich bluffe, deshalb hat er mir die entscheidenden Fakten nicht verraten.» Sie unterdrückte ein Gähnen.
    «Und dass er seinerseits geblufft hat? Ist das keine Option?»
    Sie drückte sich aus dem Sessel hoch und holte ihre Handtasche, zog das Aufnahmegerät heraus. «Mach dir selbst ein Bild. Ich habe kurz hineingehört, die Qualität ist nicht übel.»
    Zu Beginn hörte man nur Rascheln, ihre klackernden Schritte und ein Gewirr aus Stimmen und Musik. Dann, im Restaurant, wurde es ruhiger. «Sind Sie Herr Ehrmann?», hörte sie sich selbst sagen. Wie merkwürdig ihre Stimme klang.
    Der Austausch der Begrüßungsfloskeln. Und Ehrmann, der Komplimente auf sie abschoss. «Ich hatte auch nicht

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