Blinde Voegel
Die Mitgliedschaften bei Facebook, StudiVZ und Twitter gar nicht mitgerechnet.»
«Gute Arbeit.»
Stefan fuhr sich durchs Haar und warf Beatrice einen schelmischen Blick unter halb geöffneten Lidern zu.
«Danke. Aber es war kein großes Kunststück, so gern ich das auch behaupten würde. Die Seiten hat Pallauf alle als Lesezeichen gebookmarkt, und offenbar hat er sich gewohnheitsmäßig immer dauerhaft angemeldet. Ich musste noch kein einziges Passwort knacken, es war fast peinlich simpel bisher. Hättest sogar du geschafft.»
Beatrice rempelte ihn freundschaftlich an. «Na schön, du Genie. Dann hast du ja sicherlich auch Hinweise auf Sarah gefunden. Oder darauf, woher Pallauf die Waffe hatte. eBay, eventuell?»
Wider Erwarten wurde Stefan ernst. «Nein, zu einer Sarah habe ich bisher keine Verbindung entdeckt. Ich gehe zuerst die Mails durch, das sind die persönlichen Kontakte, dann knöpfe ich mir alle Facebook-Freunde vor, das kann nur leider bis nächste Woche dauern, er hat nämlich 2677 davon. Darunter sind einige Sarahs, auf den ersten Blick aber keine, die wie das weibliche Opfer aussieht.»
Er öffnete den Browser und holte Pallaufs Facebook-Profil in den Vordergrund. «Was eine Waffe angeht, würde ich übrigens vermuten, dass er keine hatte. Schau mal.» Er lenkte den Mauszeiger zielsicher zur Mitte der Seite und hielt dann inne. «Du kennst doch Facebook, oder?»
«Geht so. Ich hatte vor drei Jahren einmal einen Account, aber ich habe ihn bald wieder gelöscht.» Ursprünglich hatte sie die Idee gehabt, Kontakt zu Studienkollegen aus ihrer Zeit in Wien aufzunehmen, doch als der Erste sich meldete, war Beatrice der kalte Schweiß ausgebrochen. Er hatte Evelyn gekannt, er war auf der Party gewesen, die Beatrices beste Freundin letztlich das Leben gekostet hatte, und er würde sicher irgendwann darauf zu sprechen kommen. Was hatte sie sich dabei nur gedacht? Von da an hatte sie Facebook gemieden und ein paar Monate später ihr kaum benutztes Profil entfernt.
«Okay. Aber du weißt, dass man zu fast allem, was es hier zu sehen und zu lesen gibt, ‹Gefällt mir› sagen kann. Ja?»
«Ja.»
«Zu den Kommentaren anderer Leute, aber auch zu Seiten, die ein Thema behandeln. Mir gefallen zum Beispiel die Simpsons, Dexter und Elvis Presley.»
Sieh mal einer an. Für so nostalgisch hatte sie Stefan gar nicht gehalten. «Elvis? Ehrlich?»
«Ja, ich habe als Kind seine Filme geliebt, aber das tut jetzt hier nichts zur Sache, denn schau dir bloß mal an, was Gerald Pallauf alles so mochte.»
Er klickte auf die gesammelten «Gefällt mir»-Angaben und scrollte bis zur Rubrik «Aktivitäten und Interessen».
«Siehst du?»
Es war eine Liste sehr unterschiedlicher Dinge, für die sich Pallauf hatte begeistern können. Ein Fußballclub war aufgelistet, eine Lyrikseite, die Herr der Ringe -Trilogie, eine Biermarke. Worauf Stefan aber hinauswollte, war die Initiative «Nein zu privatem Waffenbesitz», die Pallauf ebenfalls mit «Gefällt mir» markiert hatte.
Das war nicht vom Tisch zu wischen. Es konnte natürlich auch Tarnung sein, aber wozu die Mühe? Umso mehr, als es Drasches Ergebnisse unterstützte: Er hatte keinen einzigen Hinweis darauf gefunden, dass die Tatwaffe Pallauf gehörte.
Stefan klickte die Seite auf. Die Beiträge waren eine Mischung aus persönlicher Betroffenheit – Mein Onkel ist Alkoholiker und hat ein Jagdgewehr im Schrank, was soll ich tun? – und verlinkten Berichten über Amokläufe, Eifersuchtsmorde und … ja, auch Suizide.
«Die Glock, mit der Pallauf sich allem Anschein nach erschossen hat, ist gestohlen gemeldet», sagte Beatrice. «Meinem Gefühl nach … ach, ich weiß nicht.»
«Sag schon.» Stefan drehte sich zu ihr herum. «Du glaubst auch nicht, dass es Selbstmord war, oder?»
Sie schüttelte den Kopf. Nein. Immer weniger.
Der Papierschnipsel beschäftigte sie immer noch. Sie hätte viel darum gegeben, den Rest des Blattes zu sehen.
Das Drasche in dreihundert Metern Umkreis nicht gefunden hatte.
Das Salzburger Wetter lieferte eine Probe seines ganzen Könnens ab – ein Tag lang sanfter, aber hartnäckiger Regen, und der Boden war Schlamm. Ein weiterer Besuch am Campingplatz brachte nichts als dreckige Schuhe.
Bechner war am Tag zuvor noch einmal hier gewesen, um eine weitere Befragung durchzuführen, aber keiner der Camper hatte Pallauf und Sarah in den Wald spazieren sehen, keiner hatte einen Schuss gehört. Und einen Zettel, von dem eine Ecke
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