Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blinde Voegel

Blinde Voegel

Titel: Blinde Voegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
Vom Netzwerk:
abgerissen war, hatte erst recht niemand gesehen. Es waren hauptsächlich Studenten und ältere Leute, die Mitte September hier noch ein paar Tage Spätsommer genießen wollten. Keiner von ihnen war verdächtig, also ließen sie sie nach Hause fahren.
    Obwohl Drasche in seiner berüchtigten Gründlichkeit sicher jedes einzelne Blatt im Wald umgedreht hatte, nahm Beatrice noch einmal die halbe Stunde Fußweg zum Fundort der beiden Leichen auf sich.
    Das Absperrband war noch da, sonst nichts mehr. Sie drehte sich mehrmals um sich selbst, ließ den Wald auf sich wirken. Er war nicht so dicht, dass man Zweige zur Seite schieben musste, wenn man abseits der Wege spazieren wollte. Aber er war zu eng bewachsen und die Fundstelle zu weit vom Waldrand entfernt, als dass ein Blatt Papier einfach hinausgeweht werden konnte. Wenn sie es nicht übersehen hatten, musste es von jemandem mitgenommen worden sein.
    Mord, dachte Beatrice. Ich bin mir sicher, es war Mord.

    Noch am Abend des gleichen Tages erhielt ihre Theorie unverhoffte Unterstützung von Dr. Vogt.
    «Der männliche Tote», dozierte er durchs Telefon, «war bei schwacher allgemeiner Konstitution. Völlig untrainiert. Falls es zwischen den beiden zu einem Kampf gekommen wäre, hätte die Frau ihn gewonnen. Die Leichen weisen leichte Hämatome auf, die auf eine … wie soll ich es nennen? Auf eine Rangelei hindeuten könnten.»
    «An der aber auch jemand anders hätte beteiligt sein können?»
    «Absolut. Ich habe da noch etwas, das Sie sicher wissen möchten. Beide müssen nicht lang vor ihrem Tod gefesselt gewesen sein, allerdings haben die Fesseln nicht ins Fleisch geschnitten. Die Spuren sind so gering, dass sie kaum nachweisbar sind. Ich tippe auf Tücher, und zwar weiche, aus Viskose oder Seide. Werden auch bei dominantem Sex gern verwendet, das hinterlässt die gleichen Spuren.»
    Beatrice schätzte die Ungerührtheit, mit der Vogt seine Erkenntnisse präsentierte. Irritierend fand sie nur, dass er meistens dabei aß. Auch jetzt hörte sie ihn kauen.
    «Ach ja. Knebel. Ich habe im Mund der Frau Faserspuren gefunden, vermutlich Leinen. Bei der männlichen Leiche habe ich nichts finden können, aber da wurde durch den Schuss die Mundhöhle zerstört.»
    Gefesselt. Damit war es klar. «Also kein Selbstmord. Ich wusste –»
    «Langsam», fiel ihr Vogt ins Wort. «Natürlich ist es Ihr Job, die Schlüsse zu ziehen, aber wie ich schon erwähnte – dominanter Sex, der schiefgeht, sieht ähnlich aus. Wer sagt Ihnen, dass die beiden nicht in den Wald gegangen sind, um ein bisschen zu spielen? Ich weiß, die Frau hatte keinen Verkehr in den letzten Tagen, aber das wäre vielleicht etwas später noch passiert. Erst fesselt sie ihn, dann fesselt er sie. Würgt sie auch – leider ein wenig zu fest, schon hat er eine tote Gespielin. Als ihm das klarwird, erschießt er sich. Nur so als Gedankenanstoß.»
    Beatrice schüttelte den Kopf, obwohl Vogt das nicht sehen konnte. «Und deshalb nimmt er eine voll geladene Pistole mit? Zum Spielen? Nein, Doktor, das funktioniert nicht, fürchte ich. Aber danke für all die Information. Sie haben mir sehr weitergeholfen.»
    Kaugeräusche, Schluckgeräusche. «Immer wieder gerne.»

    Hoffmanns Rückkehr aus Wien verdunkelte den nächsten Tag. Sie verbrachten den ganzen Vormittag damit, ihn über den Stand der Dinge in Kenntnis zu setzen, obwohl Florin ihn durchgängig per Telefon auf dem Laufenden gehalten hatte.
    Hoffmann schritt vor der Wand auf und ab, an die die Fotos der beiden Toten, des Fundorts und der Waffe gepinnt waren. Er stellte Florin, Stefan, Vogt und Drasche seine Fragen, vermied es aber peinlich, auch nur ein einziges Wort an Beatrice zu richten.
    So war es seit dem letzten großen Fall. Sie war Luft für ihn. Das war in gewisser Weise eine Verbesserung, denn dadurch blieben auch Hoffmanns Gehässigkeiten aus, trotzdem hatte Beatrice nicht wenig Lust, bei nächster Gelegenheit einfach das Wort an sich zu reißen. Mal sehen, was der Chef dann machte.
    Ach Blödsinn, was sollte das bringen. Viel besser war es, sich strikt auf die Arbeit zu konzentrieren und sie gut zu machen und …
    Die Tür flog auf. Eine der Beamtinnen von der Leitstelle trat ein.
    «Können Sie nicht anklopfen?», herrschte Hoffmann sie an.
    Die Frau öffnete den Mund, schloss ihn wieder und wandte sich dann an Beatrice. «Es ist eine Nachricht über die Notrufnummer hereingekommen. Der Anrufer ist nicht mehr dran, aber die Dienststelle hat die

Weitere Kostenlose Bücher