Blinde Voegel
lassen wir Tina zwei erst mal machen, ich hoffe nur, dass sie das Passwort nicht ändert.»
Stefans Grinsen reichte fast bis zu seinen Ohren. «Wenn das passieren sollte, hacken wir uns eben selbst.»
Den ganzen Vormittag über schielte Beatrice immer wieder auf die geöffnete Facebook-Seite, aber der Beitrag ihres anderen Ich rutschte tiefer und tiefer, während die Kommentare unter Peter Crontalers Posting sich vermehrten wie Pilze bei Regen.
Irgendwann zwischendurch platzte Drasche herein. «Die Tatwaffe ist früher einmal Teil eines schmiedeeisernen Zauns gewesen, der vor nicht allzu langer Zeit ausgebessert wurde. Meine Vermutung ist, dass die Stange vergessen wurde und dort herumlag.»
Florin, der vor einer halben Stunde wieder zurückgekommen und seitdem wortlos in Berichten und Fotos versunken war, wechselte einen Blick mit Beatrice. «Das ist interessant, Gerd. Meinst du, es war eine spontane Tat?»
«Ich glaube schon. Auch, weil ich einen Haufen wunderschöner Fingerabdrücke gefunden habe, die gerade durch die Datenbank laufen. Der Täter hat zwar versucht, sie abzuwischen, dabei aber neue gemacht – kein Profi. Theoretisch ist sogar denkbar, dass er in Notwehr gehandelt hat. Ehrmann greift ihn an und wirft ihn um. Er ertastet die Stange und schlägt seinen Gegner nieder, in seiner Angst prügelt er ordentlich auf ihn ein. Dann sieht er, was er angerichtet hat, kriegt Panik, rubbelt an dem Eisending herum, rennt gleichzeitig weg, tritt in Hundescheiße. Er versteckt die Stange am erstbesten Platz, wischt sich die Schuhe an einer anderen Kapelle ab und verschwindet in der nächtlichen Stadt.» Drasche blickte von einem zum anderen, sichtlich auf Beifall wartend.
«Klingt nach einer Möglichkeit», beeilte sich Beatrice zu sagen. «Passt nur gar nicht zu den anderen Todesfällen, die so geschickt auf Selbstmord getrimmt waren. Nie eine Waffe – außer Pallaufs, kein Fingerabdruck – außer Pallaufs, keine Zeugen, keine Spuren.»
Drasche verschränkte die Arme vor der Brust. «Ich kann mich auch nicht erinnern, behauptet zu haben, dass Ehrmann dem gleichen Täter zum Opfer gefallen ist wie die anderen. Ist euch noch nicht der Gedanke gekommen, dass es umgekehrt sein könnte? Dass der Typ mit der Stange der Erste war, der sich erfolgreich gegen seinen Angreifer gewehrt hat?»
Ehrmann als Mörder von Sarah Beckendahl, Gerald Pallauf, Rajko Dulović und Ira Sagmeister. Seit Drasche wieder gegangen war, den Effekt seiner Eröffnung sichtlich auskostend, überprüfte Beatrice seine These auf Haltbarkeit. Natürlich klang es verlockend. Auch Florin hatte Ehrmann nicht über den Weg getraut, das war überdeutlich gewesen, als sie sich als Tina mit ihm zum Abendessen getroffen hatte.
Man sah niemandem am Gesicht an, wozu er fähig war. Trotzdem gelang es Beatrice nicht, ihren persönlichen Eindruck von Dominik Ehrmann mit ihrer Vorstellung der Person zu verschmelzen, die Ira vor einen fahrenden Zug gestoßen haben musste.
Kurzerhand rief Beatrice das zuständige Kommissariat in Gütersloh an. Sie hing zehn Minuten in der Warteschleife, bis sie an den Kollegen kam, der mit der Ermittlungsarbeit in Ehrmanns Lebensumfeld befasst war, um dann erfreut festzustellen, dass es sich um eine Frau handelte.
«Maike Bansch, guten Tag.»
«Hier ist Beatrice Kaspary, Kriminalpolizei Salzburg. Kann gut sein, dass mein Name Ihnen nichts sagt, aber ich war dabei, als gestern Dominik Ehrmann gefunden wurde. Ich müsste ein paar Dinge überprüfen, und dabei könnten Sie mir sehr helfen.»
«Gerne.» Banschs Stimme war sympathisch und heiser, gleichzeitig meinte Beatrice, die gleiche Mattigkeit herauszuhören, die sie selbst empfand, wenn jemand auf den Berg von Arbeit, der sich vor ihr auftürmte, noch ein Schäufelchen draufkippte.
«Es ist sicher kein großer Zusatzaufwand», beeilte sie sich zu sagen. «Sie werden vermutlich ohnehin das Umfeld von Dominik Ehrmann untersuchen, und in diesem Zusammenhang würde ich Sie bitten, drei Daten abzufragen.» Sie nannte Bansch die Tage, an denen Gerald Pallauf, Rajko Dulović und Ira Sagmeister gestorben waren, und fügte jeweils die ungefähre Todeszeit an.
«Ich möchte gerne ausschließen können, dass Dominik Ehrmann unmittelbar etwas mit diesen Morden zu tun hat.»
«Sie wollen ein posthumes Alibi?»
«Genau. Sie müssten unseren Bericht zu den Fällen schon erhalten haben, darin sind alle bisherigen Erkenntnisse aufgeführt.»
Es raschelte am anderen Ende der
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