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Blinde Voegel

Blinde Voegel

Titel: Blinde Voegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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Tonbandaufnahme an uns weitergeleitet.» Sie richtete einen unsicheren Blick auf Hoffmann. «Es geht um die zwei Toten, Sie wissen schon.»
    Beatrice schob ihren Stuhl zurück und stand auf. Auch wenn sich die Nachricht als unwichtig herausstellen sollte, war sie ein willkommener Vorwand, für einige Zeit der angespannten Atmosphäre des Besprechungszimmers zu entgehen.
    «Ich komme mit Ihnen.»

    Eine männliche Stimme, gehetzt. Die Sprache von einem leichten Akzent gefärbt – osteuropäisch, mutmaßte Beatrice. Im Hintergrund Straßengeräusche.
    «Das was in der Zeitung steht – das stimmt nicht.» Kurze Pause. Schweres Atmen. «Ich möchte Ihnen etwas erklären, aber es ist schwierig und … ich weiß auch nicht alles.»
    Die Stimme des Beamten, der den Anruf entgegengenommen hatte, war langsam und freundlich. «Wir helfen Ihnen sehr gerne. Wer ist denn dran?»
    Zwei Atemzüge. «Kann ich Ihnen nicht sagen. Sie … Sie müssen mir. Versprechen. Das in der Zeitung, wissen Sie … das war kein Selbstmord. Ich helfe Ihnen, und Sie helfen mir, gut?»
    «Natürlich.» Der Ton des Beamten war aufmerksamer geworden. «Aber sagen Sie mir bitte, wer Sie sind. Dann tun wir, was wir können, um Ihnen zu helfen.»
    Kurzes, raues Auflachen. «Geht leider nicht. Heute Nachmittag, vier Uhr, am Bahnhof. Gleis 2. Kaufen Sie einen Blumenstrauß und halten Sie ihn so, dass ich ihn gut sehen kann. Ich trage eine gelbe Baseballkappe und eine grüne Jacke der New York Yankees.»
    Das gleichmäßige Tuten des Besetztzeichens. Der Anrufer hatte aufgelegt.
    Ich helfe Ihnen, und Sie helfen mir. Es hatte ängstlich geklungen, aber gleichzeitig geschäftsmäßig. Eine merkwürdige Mischung.
    «Haben wir eine Telefonnummer, der wir nachgehen können?», fragte Beatrice und griff nach einem Stift.
    Bedauerndes Stirnrunzeln der Beamtin. «Leider nicht. Der Mann hat die Nummer unterdrückt.»
    Damit verhielt er sich wie die überwältigende Mehrheit der anonymen Hinweisgeber. Sie erhielten immer wieder Anrufe dieser Art, gerade dann, wenn ein Fall sich in den Medien breitmachte. Achtzig Prozent der Leute waren Wichtigtuer oder schlicht Dummköpfe. Die restlichen zwanzig Prozent hatten zumindest einen handfesten Grund, sich zu melden, auch wenn sich ihre Beobachtungen oft als falsch erwiesen.
    Beatrice ließ sich die Aufnahme ein weiteres Mal vorspielen. Wie ein Wichtigtuer hörte der Mann sich nicht an. Eher wie einer, der sich zu dem Anruf hatte überwinden müssen.
    Das war kein Selbstmord, hatte der Mann gesagt und damit wortwörtlich das ausgesprochen, wovon Beatrice seit dem Abend des Fundes überzeugt war. Zwanzig Prozent Chance, dass er wirklich etwas wusste. Das war ausreichend, um am Nachmittag einen Abstecher zum Bahnhof zu machen.

    «Sarah Beckendahl.» Stefans Stimme drang triumphierend durchs Handy. «Aus Hannover. Die Kollegen vom BKA haben angerufen und schicken gleich Fotos.»
    «Sehr gut.» Beatrice nickte Florin zu, der am Steuer saß und dank einer Umleitung bereits die zweite Runde um den Bahnhof drehte. «Wir wissen, wer Sarah ist», flüsterte sie ihm zu, während Stefan weitere Details lieferte. «23 Jahre, gelernte Friseurin, arbeitete in einem Nagelstudio in der hannoverschen Innenstadt. Oder sagt man Hannoveraner Innenstadt?»
    «Weiß ich nicht. Danke jedenfalls. Wir melden uns später wieder, okay?» Sie deutete hektisch nach links, wo gerade eine Parklücke frei wurde. «Es ist bald vier und wir müssen noch Blumen kaufen.»
    An einer Ecke links vom Bahnhof entdeckte Florin einen kleinen Laden, wo er ein geschmackvolles Sträußchen aus Rosen und Gerbera erstand.
    «Bisschen übertrieben, findest du nicht?», neckte ihn Beatrice, als sie gemeinsam durch die Unterführung gingen. «Der Mann mit der gelben Baseballkappe wird noch denken, du hättest ernste Absichten.»
    «Tja, man weiß schließlich nie.» Florin senkte seine Nase in den Strauß. «Ich bringe es eben nicht übers Herz, vertrocknete Nelken im Sonderangebot zu kaufen – ja, ja, du denkst, ich bin ein Snob, ich weiß. Vermutlich hast du recht.»
    Seine ernsthafte Miene, die pikiert hochgezogenen Augenbrauen und das Schmunzeln, das er sich kaum verkneifen konnte, brachten Beatrice zum Lachen. Sie widerstand dem Drang, sich bei ihm unterzuhaken. Wenn sie es betont kumpelhaft täte, würde es trampelig wirken, und als zärtliche Geste sollte und durfte er es nicht werten.
    Noch zehn Minuten bis sechzehn Uhr. Gleis zwei lag zur Hälfte im Schatten,

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