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Blinde Voegel

Blinde Voegel

Titel: Blinde Voegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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sie verachtet.» Das wütende, kettenrauchende Mädchen stand ihr wieder vor Augen. «Sie muss sich riesige Vorwürfe gemacht haben.»
    Schnaubendes Lachen. «Oh ja. Aber trotzdem hätte sie sich nie umgebracht. Wir hatten dieses gemeinsame Ziel, sie und ich. Die Wahrheit. Gerechtigkeit. Heckler muss einen guten Vorwand gefunden haben, damit sie sich mit ihm trifft. Kontakt aufzunehmen, konnte ja nicht mehr schwierig sein, weil sie sich auf Facebook kannten.»
    Das Essen in der Pizzeria, Iras Cannelloni. Sie hatte auf jemanden gewartet, das Notebook auf dem Tisch. Ribar musste sie nur draußen abpassen, sie in sein Auto ziehen, ihr den Computer wegnehmen und unter ihrem Namen all die todessehnsüchtigen Postings verfassen . Ein passendes Gedicht war nicht schwer zu finden .
    Ich möchte mich von euch verabschieden. Ich steige hier aus, aber seid nicht beleidigt. Ich steige überhaupt aus. Beatrice spann die Gedanken weiter, das vertrieb die Angst, die immer wieder in ihr hochzuschwappen drohte, wenn ihr Blick auf die Bombe fiel. Morgen ist es zu spät , war die Antwort auf Beatrices Angebot eines Treffens gewesen, und auch das ergab Sinn. Ira war vor ihrem Tod geschlagen worden, hatte Kratzer, hatte sich in die Zunge gebissen …
    Jemanden vor einen Zug zu stoßen, ohne dass es Zeugen gab, musste schwierig sein. Aber Heckler war ein Söldner gewesen, ein Experte im Töten, in der Tarnung, der Kriegsführung, im schnellen Zuschlagen. Es war möglich, und mit jedem Moment schien es Beatrice wahrscheinlicher.
    «Ira hat alles mit mir gemeinsam vorbereitet», fuhr Nikola leise fort, «sie hat diesen Ort hier gesucht, Heckler verfolgt, die Stellen fotografiert, wo sie ihn gesehen hatte. Hat uns andere auf dem Laufenden gehalten. Sie hat es immer als schicksalshaft empfunden: dass Heckler sich in der gleichen Stadt niedergelassen hat, in der sie wohnt, dass Gerald Pallauf ihn zufällig auf seinem Foto hatte, ohne zu wissen, was er da auf Facebook stellt.» Er trat noch einen Schritt näher an Ribar heran, so nah, dass sich ihre Gesichter beinah berührten. «Sie wollte heute hier sein, für ihre Mutter, stellvertretend für Marja und Irena. Die beiden hätten sich auch mit dem Kriegsverbrechertribunal begnügt. Aber Ira war meiner Meinung. Es ging nicht mehr darum, den Panther der Justiz auszuliefern. Wir wissen doch alle, wie zahnlos der Gerichtshof in Den Haag ist. Ein paar der Folterer und Vergewaltiger aus den Neunzigern sind heute Minister oder Polizeichefs und haben nie eine Zelle von innen gesehen.»
    Festgeklebt an ihren Hocker kam Beatrice sich immer hilfloser vor. Was sollte sie nur tun, wenn Nikola jetzt begann, es Ribar mit gleicher Münze heimzuzahlen? Ihn zu quälen, zu verstümmeln, ihn langsam zu töten – und sie musste dabei zusehen?
    «Wenn Boris Ribar alle diese Menschen umgebracht hat – Ira, Sarah, Gerald und Ehrmann –, dann wird er in diesem Leben nicht mehr aus dem Gefängnis kommen», sagte sie. «Das verspreche ich Ihnen. Dann ist Den Haag auch nicht zuständig.»
    «Was für ein Trost», erwiderte Nikola trocken.
    «Ich war das nicht!» Ribar schwankte an seiner Kette. «Das ist alles ein Irrtum. Völliger Quatsch. Ich schreibe doch nur über diese Fälle! Ehrmann habe ich zum ersten Mal gesehen, als er tot unter den Kreuzen lag!» Waren die Wände so dicht, oder war es vor der Werkstatt so ruhig? Sie hörte keine Stimmen, keine Motoren.
    «Weißt du was, Frank? Dass du mit Ehrmanns Tod nichts zu tun hast, darüber sind wir uns einig. Der wäre dir nicht gefährlich geworden.»
    Aber dir vielleicht. Beatrice versuchte, ihre Fesseln zu dehnen, sie ließ nicht nach, obwohl sie fühlte, dass sie keine Chance hatte. Nikola war im «Republiccafé» gewesen und hatte Ehrmann nur folgen müssen. Sich zu erkennen geben, falls sie sich nicht ohnehin schon kannten. Und dann war es zum Streit darüber gekommen, wie es weitergehen sollte, wenn Heckler erst vor ihnen stand …
    Sie traute es Ehrmann zu, dass er sich Nikolas gewalttätigen Plänen hatte entgegenstellen wollen. Seit sie den Toten unterhalb der Kreuze gesehen hatte, war ihr der Fehler im Muster nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Diese Tat trug eine Handschrift, die sich von der der anderen Morde völlig unterschied. Wirkte wie ein spontaner Gewaltakt ohne Vorsatz, aber trotzdem – mein Gott. Auf der Eisenstange waren Fingerabdrücke, und wenn man die mit denen von Nikola verglich …
    Sie sah an ihm hinunter und fragte sich, ob noch

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