Blinde Voegel
ebenfalls nie vergessen hat, nachdem er sich eine volle Nacht lang intensiv mit ihr beschäftigt hatte. Eine ganze Menge Leute hat Heckler nie aus dem Kopf bekommen.»
Solange Nikola sprach, tat er nichts Gefährliches. Beatrice konnte ihm ansehen, dass das Reden ihn erleichterte. Gut so. Den Druck aus dem Kessel nehmen, Zeit gewinnen.
«Sie müssen noch sehr jung gewesen sein, als sie vor dem Krieg geflohen sind.»
«Fünfzehn. Wir waren nur auf Besuch in Gornja Trapinska, sind zu viert dort angekommen, aber verlassen habe ich es allein.» Er betrachtete seine Hände und den abgeschraubten Verschluss des Benzinkanisters darin. «Ein Fehler, Frank», rief er Ribar zu. «Du hättest zweimal schießen sollen.»
In einiger Entfernung hörte man Motorengeräusche, und Beatrice hielt die Luft an. War das schon die Sondereinheit? Vielleicht. Das Motorengeräusch erstarb.
«Oh», sagte Nikola lächelnd. «Warten Sie auf einen Befreiungstrupp? Ich hätte es Ihnen schon vorher sagen sollen, tut mir leid. Sobald jemand diesen Schuppen hier betritt, ohne dass ich es möchte, gibt es ein Feuerwerk.» Er deutete auf etwas, das nicht weit von Ribar entfernt auf dem Boden lag. Acht aneinandergeklebte und mit Drähten verbundene Schachteln. «Ich zünde, sobald ich es für nötig halte. Was mir für Sie wirklich leidtäte, denn ich finde Sie sympathisch.»
Eine Bombe. Beatrice kannte sich mit Sprengsätzen nicht aus, aber rein optisch wirkte dieser hier, als könne man damit weit mehr in die Luft jagen als nur eine ehemalige Autowerkstatt.
«Das wird nicht nötig sein», sagte sie und konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme dabei zitterte. «Ich würde nur gern meinen Kollegen informieren, damit er Bescheid weiß. Er sorgt dann dafür, dass uns niemand hier stört.»
Ein jammernder Laut drang hinter Ribars Knebel hervor. Er musste durch Beatrices Vorschlag seine Chancen auf eine Befreiung schwinden sehen. Vielleicht gab das den Ausschlag.
«Warum nicht.» Nikola erhob sich von seinem Reifenstapel. «Ich will das hier ordentlich erledigen. Erklären Sie ihrem Freund die Situation. Wenn es draußen unruhig wird oder jemand sich Zutritt verschafft, finden wir drei hier ein lautes, schnelles Ende. Und nur einer von uns hätte Grund, sich darüber zu freuen.»
Er zog sie hoch und führte sie bis knapp vor eine Schiebetür, die er einen Spalt öffnete, kaum genug, um einen Arm durchzustecken. «Jetzt. Los.»
Durch den schmalen Spalt konnte Beatrice nicht mehr erkennen als ein Stück matschige Wiese und einige Bäume dahinter. Keine Einsatzkräfte, nicht einmal Ribars Auto, das zu weit links stand, um durch die Öffnung sichtbar zu sein.
Sie atmete durch. «Florin?» Die Wiese lag nur einen Schritt vor ihr, wenn sie mit dem Kopf den Spalt vergrößerte und losrannte …
Es war verlockend. Und es kam nicht in Frage. «Florin, hörst du mich?»
«Ja. Geht es dir gut?» Seine Stimme kam aus Richtung des Autos. Sehr wahrscheinlich, dass er immer noch gefesselt war. Und dass er im Fall des Falles mit in die Luft fliegen würde.
«Alles in Ordnung. Aber es gibt etwas, das wir beachten müssen. In der Werkstatt ist eine Bombe, und sie wird gezündet, wenn jemand versucht, hereinzukommen. Oder auf andere Weise … zu stören.»
«Ich habe verstanden.» Seine Stimme vibrierte. «Mach dir keine Sorgen, ich kümmere mich darum, dass es ruhig bleibt.»
Von hinten packte Nikola sie an den gefesselten Händen, zog sie zurück und schob die Tür wieder zu, bis sie knirschend einrastete.
«Gut gemacht.» Er zog Beatrice durch die Werkstatt, nicht zurück zu ihrem Reifenstapel, sondern auf einen Schemel, der näher an der Stelle stand, wo Ribar an seinem Haken hing. «Ich kann mich nicht die ganze Zeit darum kümmern, dass du an deinem Platz bleibst», erklärte er, während er weiteres Klebeband rund um ihre Oberschenkel und die Sitzfläche des Hockers wickelte.
Nur ein paar Schritte entfernt, aber trotzdem völlig außerhalb ihrer Reichweite, entdeckte Beatrice eine Art Fernbedienung auf dem Boden. Keine Frage, wozu sie diente.
Nikolas Blick war dem ihren gefolgt. «Keine Sorge, ich trete nicht versehentlich drauf.» Er hob die Fernzündung hoch und legte sie auf eine völlig verdreckte Werkbank zu seiner Linken.
Auch dort hatte Beatrice das Gerät gut im Auge. Sie konnte kaum wegsehen. Würde sie das Zerreißen ihres Körpers noch spüren, wenn Nikola die Taste drückte? Oder würde nur plötzlich alles schwarz sein?
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