Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blinde Voegel

Blinde Voegel

Titel: Blinde Voegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
Vom Netzwerk:
ich, ich habe mir davon nie viel versprochen. Aber Marja hat sich überwunden und wollte zu Protokoll geben, dass Frank Heckler noch lebt. Irena Barić auch. Sind Sie ihr einmal begegnet? Nur noch drei Finger an der rechten Hand, die zwei anderen hat einer von Hecklers Leuten ihr langsam mit einem Messer abgeschnitten. Sie hatten außerdem vor, ihr ein Auge auszustechen, aber das konnte sie ihnen ausreden. Sie wollen nicht wissen, wie.»
    «Was erzählen Sie denn», schrie Ribar. «Ich habe davon keine Ahnung, lassen Sie mich gehen.»
    «Schnauze halten!» Nikolas Stimme kippte, er schüttelte den Kopf und rieb sich mit den Händen übers Gesicht. Als er sie wieder sinken ließ, wirkte er ruhiger. «Marja und Irena waren bei der Polizei. Dort hat man sie erst von einer Stelle zur nächsten geschickt, nur um ihnen am Ende zu erklären, dass Frank Heckler tot sei. Ganz sicher. Sie müssten sich irren, und man könne nicht jedem Hinweis nachgehen, besonders, wenn er von hysterischen, traumatisierten, mäßig gut deutsch sprechenden Putzfrauen käme.»
    Typische Polizisten. Richtig freundlich, wenn sie etwas wollen. Aber nicht bereit zuzuhören, wenn jemand von sich aus etwas erzählen möchte. Denn das könnte am Ende ja Arbeit bedeuten.
    Darauf musste Ira Sagmeister angespielt haben.
    «Marja und Irena kannten den Namen nicht, unter dem Heckler jetzt lebte. Woher auch? Sie hatten nur dieses Foto von dem Mann hinter dem Kinderwagen, und kein Polizist dieser Welt würde sich die Mühe machen herauszufinden, wer das war.»
    Also hatten sie es ohne die Polizei versucht. Irena, Marja, Nikola – wer noch? Dominik Ehrmann, der wohl nicht persönlich betroffen war, aber die anderen vermutlich von einer seiner ehrenamtlichen Tätigkeiten her kannte. Und Ira, deren Mutter ebenfalls aus Gornja Trapinska gekommen war.
    «Woher wussten Sie, wo die anderen Überlebenden verstreut waren?»
    «Ich habe immer den Kontakt gehalten.» Nikola griff nach einem verrosteten Schraubenschlüssel und wog ihn in der Hand. «Adina und Marja habe ich es vor allem zu verdanken, dass ich lebend aus Kroatien herausgekommen bin. Sie haben mich beschützt, und wir haben uns immer wieder Briefe geschrieben. Später dann Mails, noch später haben wir uns über Facebook verständigt. Obwohl, Adina nicht. Sie hat bis zuletzt nur auf Briefe geantwortet.» Er sah zur Decke und stieß geräuschvoll die Luft aus. «Dass ich ihr nicht helfen konnte, ihre Erinnerungen auszuhalten, werde ich mir nie verzeihen.» Unvermittelt, ohne Vorwarnung, drosch er mit dem Schraubenschlüssel gegen Ribars Knie. «Und ihm auch nicht.»
    Das Geheul musste bis nach draußen dringen. Beatrice drehte es den Magen um. «Bitte nicht», sagte sie. «Das dürfen Sie nicht tun. Einen gefesselten Mann schlagen, das ist nie richtig, in keiner Situation.»
    Es war, als hätte Nikola kein einziges ihrer Worte gehört. «Adina wollte so gern vergessen – als ob das möglich gewesen wäre. Marja hat mehrmals bei ihr angerufen, um ihr in ihrer Depression beizustehen, bis sie begriffen hat, dass sie Adina damit völlig aus der Bahn wirft. Unsere Stimmen, sogar unsere Sprache, das alles hat sie nicht mehr ertragen.»
    Waren das die verstörenden Anrufe gewesen, denen Ira mittels einer Fangschaltung hatte entgegenwirken wollen? Vielleicht.
    «Und dann hat sie sich umgebracht», zischte er dem heulenden Ribar ins Ohr. «Kurz nachdem sie Ira gestanden hatte, dass der nette Herr Sagmeister gar nicht ihr Vater war. Sondern einer von deinen stinkenden Tschetniks. Vielleicht sogar du selbst, hast du dir das schon mal überlegt? Dann hättest du deine eigene Tochter ermordet.»
    Er drehte sich zu Beatrice um, Schweiß stand ihm auf der Stirn. «Iras Reaktion war furchtbar, sie hat es mir später erzählt. Sie war völlig verzweifelt, hat sich nur noch dreckig gefühlt und ist einfach abgehauen. Das muss für Adina den Ausschlag gegeben haben.»
    Er spuckte Ribar ins Gesicht. «Wie hast du es eigentlich gemacht? Hm? Wie hast du Ira getötet?»
    Von Ribar kam nur wortloses Wimmern. Nikola schlug ihm erneut ins Gesicht, aber es kam keine Antwort. Also drehte er sich zu Beatrice herum.
    Sie schüttelte stumm den Kopf. «Wir haben uns lange gefragt, ob es nicht doch Selbstmord war», sagte sie. «Was Sie gerade erzählt haben, muss Ira furchtbar aus der Bahn geworfen haben. Erst erfährt sie, dass sie das Kind eines Vergewaltigers ist, dann tötet ihre Mutter sich selbst, weil sie denkt, dass ihre Tochter

Weitere Kostenlose Bücher