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Blinde Voegel

Blinde Voegel

Titel: Blinde Voegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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mir leid», sagte er. «Ich bin heute ein bisschen langsam. Kopfschmerzen.»
    «Schon okay. Soll ich selbst nachsehen?»
    «Nein, warte … hier. Ja, er hat die Sache mit dem Papier vermerkt und dass der Besitzer der Pistole unbekannt ist. Außerdem, dass Beckendahl und Pallauf zu einem Zeitpunkt nicht lange vor ihrem Tod gefesselt waren.»
    «Ja, das hat Vogt auch erzählt. Er meint aber, die Fesselungsspuren könnten von Sexspielchen herrühren.»
    Mit dem Zeigefinger tippte Florin auf eine Stelle im Bericht. «Stimmt. Aber zwischen Sarahs oberen Schneidezähnen wurde ein hellgrünes Wollpartikel gefunden, das sich von den anderen Fasern in ihrem Mund unterscheidet. Wenn ihre Hände vor dem Körper gefesselt waren, hat sie vermutlich versucht, den Knoten mit den Zähnen zu lösen, kaum dass sie den Knebel los war.»
    Beatrice fühlte das vertraute Glühen in ihrem Inneren. Es hatte nichts aus grüner Wolle am Tatort gelegen. Noch etwas, das jemand mitgenommen haben musste.
    Kein Selbstmord. Ganz bestimmt nicht. Sie betrachtete Florins regloses Profil mit einer Mischung aus Mitgefühl und … etwas, das sie nicht näher benennen wollte.
    So bald würde er keine Zeit mehr für Anneke finden.

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel vier
    A m nächsten Tag reiste Pallaufs Vater aus Schweden an. Er war fahl im Gesicht, und seine Augen sahen aus, als hätte er sie stundenlang gerieben. Er war ein älteres, unglückliches Abbild seines Sohnes.
    «Nie hätte Gerald sich umgebracht.» Diesen Satz wiederholte er mindestens zehnmal, als wäre es das traurige Resümee, das der Mann aus dem Leben seines Sohnes zog.
    «Er war ein bisschen einsiedlerisch, wissen Sie? Aber nicht depressiv. Schon als Kind hat er stundenlang allein gespielt.» Mit pummeligen Fingern streichelte Pallaufs Vater über die Tischplatte, als wäre sie ein Tier, das es zu beruhigen galt. «Nie hätte er sich umgebracht. Wir haben … doch noch telefoniert.» Er wischte seine Tränen nicht ab, sondern ließ sie einfach übers Gesicht laufen und auf sein Hemd tropfen. Beatrice sah aus den Augenwinkeln, wie Florin nach Taschentüchern kramte.
    «Sagt Ihnen der Name Sarah Beckendahl etwas?»
    Kopfschütteln. «Nein. Ich weiß, das ist die Frau, die er angeblich getötet haben soll, aber – der Gedanke ist so verrückt, dass ich schreien könnte. Gerald war nie grob oder jähzornig. Nie.» Pallauf senior zog die Nase hoch. «Dass jetzt alle glauben, er wäre ein Mörder, ist so … ungerecht.»
    Beatrice beugte sich vor und nahm seine Hand. «Wissen Sie was? Es kann gut sein, dass wir das widerlegen können. Ich möchte Sie nur bitten, sich an möglichst alles zu erinnern, was Gerald Ihnen in den letzten Monaten erzählt hat, auch wenn es Ihnen damals unbedeutend erschienen ist. Ich möchte gern wissen, wie er gewesen ist. Was er gern getan hat. Welche Wünsche er hatte.»
    Wünsche, die nicht mehr in Erfüllung gehen würden. Beatrice biss sich auf die Lippen, ihr letzter Satz hatte dem Vater ein Geräusch aus der Brust gerissen, das sie körperlich schmerzte.
    Sie ließ seine Hand nicht los, während er sprach und Florin Notizen machte.
    Was Gerald Pallaufs Vater erzählte, rundete das Bild ab, das Beatrice sich in der Wohnung von ihm gemacht hatte. Ein schüchterner junger Mann, verspielt, mit dem dringenden Wunsch nach einer Freundin, aber verschwindend geringen Chancen, wirklich eine zu finden. Einige, wenige Freunde. Nur zwei kannte der Vater mit Namen. Sonnenallergie. Musikalisch. Träumte davon, irgendwann ein Buch zu schreiben.
    «Und er mochte Gedichte, nicht wahr?»
    «Ja. Sehr. Besonders Rilke.»

    «Ich will die Online-Recherche übernehmen.» Beatrice stand vor Hoffmanns Schreibtisch und bemühte sich, nicht zu wippen oder ihre Nervosität auf andere Weise zu verraten. Wahrscheinlich war es völlig kontraproduktiv, was sie hier tat – jemanden, der sie nicht leiden konnte, um einen Gefallen zu bitten. Aber ohne Hoffmanns Okay würde es nicht gehen.
    Er hatte nur einmal kurz von seinen Akten aufgesehen und seinen Kopf gleich wieder gesenkt.
    Einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig. Die Sekunden verstrichen.
    «Wieso?», fragte er endlich.
    «Weil Facebook die einzige Verbindung zwischen Pallauf und Beckendahl darstellt, jedenfalls nach unserem aktuellen Wissensstand. Ich glaube, dass wir darauf ein besonderes Auge haben sollten.»
    Er lehnte sich im Stuhl zurück und legte die Fingerspitzen aneinander. «Aha. Ihr Auge, meinen Sie.»
    «Ja. Da

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