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Blinde Voegel

Blinde Voegel

Titel: Blinde Voegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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Facebook-Profil geöffnet. «Ich habe alle seine Mails überprüft, bin seine Kontaktliste durchgegangen und die Leute, denen er auf Twitter folgt. Besonders genau habe ich mir seine Facebook-Freunde angesehen.» Stefan klickte auf den entsprechenden Link und gab im Suchfeld «Sarah» ein.
    «Wir haben hier zwölf Treffer, aber keine dieser Sarahs heißt mit Nachnamen Beckendahl. Gibt man diesen Namen hingegen bei der allgemeinen Suche ein – voilà!»
    Ein neues Facebook-Profil öffnete sich. Beatrice erkannte das Gesicht auf dem Foto in der linken oberen Ecke sofort. «Das ist sie, keine Frage. Kann ich da einfach alles lesen?»
    «Ja. Sie hat sich offenbar nie um die Privatsphäre-Einstellungen gekümmert.» Stefans Mauszeiger zeichnete einen Kreis rund um den letzten Eintrag, den Sarah hinterlassen hatte.
Sarah Beckendahl
Sage Hannover für ein paar Tage tschüs!
*Reisefieber*
    Sieben Leuten gefiel das, fünf hatten Kommentare hinterlassen, einer nichtssagender als der andere. Drei Gute-Reise-Wünsche, zwei freundschaftliche Neidbekundungen.
    «Bis jetzt weiß noch keiner, dass sie tot ist», murmelte Stefan. «Wart mal ab, wie sich die Leute hier mit Entsetzensbekundungen, Trauersprüchen und Kerzenbildern überschlagen werden, sobald es öffentlich wird.»
    «Ja, natürlich.» Beatrice stützte ihr Kinn in die Hand. «Das müssen wir im Auge behalten, auf Hinweise abklopfen …» Sie unterbrach sich, als sie Stefans Ungeduld bemerkte.
    «Also», setzte er erneut an. «Beide bei Facebook, aber nicht miteinander befreundet. Kein Mailverkehr, nichts. Soweit ich das beurteilen kann, gibt es nur eine einzige Gemeinsamkeit.»
    Effektvolle Pause. Beatrice hielt sich zurück, sie wollte Stefan seinen Auftritt keinesfalls ruinieren.
    «Das hier.» Wieder Pallaufs Seite. «Wir sind mit seinem Passwort eingeloggt, also haben wir auf alle seine Informationen Zugriff. Und sieh mal –» Er scrollte nach unten, bis in der linken Spalte der Link «Gruppen» auftauchte. «In Gruppen tust du dich mit anderen Leuten zusammen, mit denen du bestimmte Interessen teilst. Es gibt offene, geschlossene und geheime Gruppen. Die, die uns interessiert, ist eine geschlossene – man findet sie, wenn man danach sucht, kann aber nur mitlesen, wenn man Mitglied ist.»
    Stefan bewegte den Mauszeiger auf ein kleines Icon in der Form eines aufgeschlagenen Buchs, neben dem die Worte Lyrik lebt standen.
    Klick. «Er war Germanistikstudent, nicht wahr? Dann wäre eine Vorliebe für Gedichte nichts Außergewöhnliches.»
    Beatrice rutschte auf ihrem Stuhl herum. Gedichte! Na, das klang ja wahnsinnig vielversprechend.

    «Jetzt sieh mal hier.» Er scrollte tiefer, und Beatrice las das Gedicht.
Sabine Scharrer
Die Liebe sei auf ewig dir versagt,
das Tor ist hinter dir geschlossen,
auf der Verzweiflung wilden Rossen
wirst du durchs öde Leben hingejagt,
wo keine Freude dir zu folgen wagt .
    Es war offensichtlich, dass die Gruppe wusste, aus welchem Anlass Sabine Scharrer diese Zeilen online gestellt hatte, denn fast alle der einundzwanzig Kommentare waren Mitgefühlsbezeugungen, die sich zwischen «Das Schicksal geht seltsame Wege, deren Sinn sich uns oft erst später erschließt» und einem sehr unlyrischen «Vergiss das Arschloch» bewegten.
    Sarah Beckendahls Kommentar war der zwölfte. «So ein schönes Gedicht. Tut mir leid, das du traurig bist, auch wenn wir uns nicht kennen. Bei uns in der Straße wachsen auch wilde Rossen.»
    Beatrice las die Sätze einmal, dann noch einmal, bevor sie begriff. «Wilde Rossen! Entweder, sie verarscht die andere, oder sie hat große Probleme mit der Rechtschreibung.» Eher Letzteres, fügte sie im Stillen hinzu, angesichts von «das du traurig bist».
    Die anderen Gruppenmitglieder waren über Sarahs Kommentar schweigend hinweggegangen, niemand hatte sie korrigiert.
    Was suchte eine Frau, die mit der deutschen Sprache so offensichtlich auf Kriegsfuß stand, unter lauter Lyrikfreunden?
    Sei nicht so arrogant, ermahnte Beatrice sich selbst. Um Gedichte zu mögen, musste man sie schließlich nicht schreiben können.
    «Gibt es noch andere Einträge von ihr?»
    «Vermutlich. Ich suche noch, aber viel einfacher wäre es natürlich, ihr Log-in zu kennen und ihre Chronik durchzugehen. Die Kollegen in Hannover haben Sarahs Computer schon in Arbeit. Sie melden sich, wenn sie das Passwort haben. Im Prinzip könnte ich ihren Account auch hacken» – er fletschte die Zähne zu einem kampfeslustigen Grinsen – «das ist

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