der gemeinsame Nenner eine Gruppe ist, die sich mit Gedichten beschäftigt, sollte es jemand tun, dem Lyrik nicht ganz fremd ist.»
«So wie Sie?»
«So wie ich.»
Wieder entstand eine Pause. Hoffmann fuhr sich durch sein schütteres Haar. Was war los mit ihm? Normalerweise wäre es ihm ein Fest gewesen, Beatrices Anliegen sofort abzuschmettern. Aber heute wirkte er müde und so, als wäre er nicht ganz bei der Sache.
«Eigentlich ist Gerlach unser Mann für diese Dinge.»
Auf diesen Einwand hatte sie gewartet. «Das stimmt. Aber er hat es nicht so mit Gedichten und wäre froh, wenn ich mich in der Gruppe umsehen würde. Sobald es technische Fragen gibt, wende ich mich sofort an ihn.»
Hoffmann schloss kurz die Augen, und als er sie wieder öffnete, waren sie auf das Telefon gerichtet. Erwartete er einen Anruf?
«Meinetwegen, Kaspary. Allerdings stelle ich Sie dafür nicht von Ihren anderen Pflichten frei. Sie können ein wenig zurückschalten, aber Sie bleiben auch an den richtigen Ermittlungen dran.»
Aha. Er tat ihre Online-Recherchen also als nette Spinnerei ab. Damit konnte sie leben.
«Gut. Dann brauche ich nur noch die Genehmigung für einen falschen Facebook-Account. Ich möchte, dass alles korrekt läuft.»
Auch das sagte er ihr zu, um sie dann mit einer nachlässigen Handbewegung hinauszuwinken.
Bevor sie die Tür hinter sich schloss, war sie beinahe versucht, ihn zu fragen, ob alles in Ordnung war. Dumme Idee. Spätestens morgen würde er sich darüber lustig machen.
Ich gehe meinen Geschäften nach. Ich fahre Auto. Massive Attack läuft im Radio, und ich klopfe den Rhythmus mit den Fingern aufs Lenkrad. Im Restaurant bestelle ich mir Zander vom Grill mit Röstkartoffeln und trinke dazu Riesling. Nichts hat sich geändert.
Außer, dass ich einen Weggefährten verloren habe. Kein großer Verlust, für niemanden. Trotzdem begleitet mich seither eine eigenartige Unruhe, ähnlich störend wie ein Fremdkörper im Auge oder ein Stein im Schuh – unangenehm, schwer zu ignorieren, spürbar bei jeder Bewegung.
Und dann, nach dem zweiten Glas Wein, gesellt sich ein weiteres Gefühl dazu. Diese enorme Lebendigkeit, die man nur in der Gegenwart des Todes empfindet, wenn man ihn direkt vor Augen hat und weiß, es ist nicht der eigene.
Ich erinnere mich daran, wie es war: nichts zu verlieren zu haben. Es macht schwindelig, es berauscht nachhaltiger als jede Droge. Wie habe ich sie verachtet, diese kleinen Menschen, die alles festhalten mussten, die mir nicht einfach frei entgegentreten und ins Gesicht lachen konnten, so wie ich es umgekehrt getan hätte.
Heute ist es anders. Verachte ich nun mich selbst dafür?
Es ist so gut, das Leben. Jetzt. Ich will wissen, wie es weitergeht. Ich habe Geschmack an so vielen Dingen gefunden. Ich möchte nicht, dass es endet. Möchte bitte sagen. Bitte lasst mich doch.
Als ob ich nicht besser als jeder andere wüsste, wie wenig Sinn das hat.
«Den Datenstick steckst du in den USB-Slot und wählst dich ein, es ist ganz einfach.» Seit einer halben Stunde saß Stefan neben Bea an ihrem Schreibtisch und demonstrierte ihr die Funktionsweise des Notebooks, das sie für ihre Recherchen zur Verfügung gestellt bekam. Sie bemühten sich, leise zu sprechen, denn Florin war auf der gegenüberliegenden Seite des Schreibtisches mit dem Protokoll zur Befragung von Pallaufs Vater beschäftigt.
«Wenn du willst, können wir dein Facebook-Profil sofort einrichten.» Stefan hatte die Seite mit dem vertrauten blau-weißen Schriftzug schon geöffnet.
«Danke. Aber das würde ich lieber alleine machen. In Ruhe, verstehst du? Ich möchte mir ein überzeugendes falsches Ich ausdenken, dazu brauche ich Zeit.»
Er hob den Kopf, sichtlich überrascht, sein Mund öffnete und schloss sich wieder, wie bei einem enttäuschten Kind, dem die Worte fehlten. «Aber … ich habe schon alles vorbereitet. Eine Mailadresse bei GMX, ein Profilbild …»
Sie fasste ihn um die Schultern und drückte ihn. «Du bist ein Schatz, Stefan. Aber ich glaube, dass ich überzeugender mit dem Profil arbeiten kann, wenn ich mich damit identifiziere. Verstehst du das?»
«Sicher», brummte er. «Aber wenigstens – die Mailadresse? Die könntest du übernehmen.»
Sie lächelte ihn an. «Absolut. Zeig, was du dir für mich ausgedacht hast.»
[email protected] Aha. Beatrice sah ihn von der Seite an. «Das ist, äh, kreativ. Wie kommst du auf Zauberfeder?»
Aus Florins gekräuselten Mundwinkeln schloss