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Blinde Voegel

Blinde Voegel

Titel: Blinde Voegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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vor Stunden vergangen.
    «Vergiss nicht, dass Zischek Dulovićs Stimme erkannt hat», sagte er.
    «Ja, das behauptet er. Die anderen wollten es weder bestätigen noch ausschließen. Das ist doch Mist, Florin. Damit kommen wir nicht weiter.»
    Er betrachtete sie kauend und verzog das Gesicht. Sie hoffte, das galt den Keksen und nicht ihr.
    «Ich weiß, dass du deinen Facebook-Spuren folgen möchtest», sagte er schließlich. «Nur leider bringen die uns auch nicht voran.»
    Und das, klang unausgesprochen mit, bedeutete, dass die Spurenlage den Ausschlag geben würde. Mord und Selbstmord plus ein Unfall, auch wenn die Frage nach der Herkunft der Glock immer noch im Raum stand. Dass Dulović Pallauf eine gestohlene Waffe verkauft hatte, war gut denkbar, aber schwer zu beweisen. Immerhin war es ein möglicher Zusammenhang. Beatrice blätterte sich durch ihre Unterlagen, denen zufolge Dulović keine nennenswerten Freunde hatte, nur Geschäftspartner, alle zwielichtiger Natur. Und als einzige lebende Verwandte eine Tante, die in der Nähe von Jajce lebte und kein Deutsch sprach.
    «Das stimmt», erklärte Beatrice. «Ich halte die Facebook-Sache immer noch für verfolgenswert. Gestern, als ich mit Ira Sagmeister gechattet habe, gab es einen Moment, in dem ich das Gefühl hatte, nahe an etwas dran zu sein. Diese Gemeinsamkeit, von der sie gesprochen hat, das muss ja nicht ihr echter oder gespielter Todeswunsch gewesen sein.» Sie atmete durch. Worauf wollte sie eigentlich hinaus? «Vielleicht ist der Zusammenhang nur hauchdünn, aber es gibt ihn. Allein, dass Dulović über Pallaufs und Beckendahls Tod mit uns sprechen wollte. Wenn du mich fragst, hat er etwas gesehen und musste deshalb sterben.»
    «Wenn er es überhaupt war, der angerufen hat. Dann bin ich ganz deiner Meinung.» Florins Telefon begann Gnossienne Nr. 1 von Erik Satie zu spielen. Anneke.
    Wie immer in diesen Fällen wandte Beatrice sich ab und widmete sich ihrer Arbeit, versuchte, sich auf das Dokument auf dem Computerbildschirm zu konzentrieren und Florins Gespräch mit seiner Freundin auszublenden. Leider schaffte sie es fast nie.
    Dann eben anders. Sie schnappte sich das digitale Diktafon, steckte die Kopfhörer an und begann, die Aussagen der heute Befragten zu protokollieren.
    Ein gelegentlich zur Seite geworfener Blick verriet ihr, dass das Gespräch länger dauern würde und nicht erfreulich war. Der bittere Zug um Florins Mund war ihr neu, aber sie würde diesmal keine Fragen stellen, keine Hilfsangebote machen.
    Bis kurz vor Dienstschluss gelang ihr das sogar. Erst als sie in der Tür stand und ihre Autoschlüssel aus der Handtasche wühlte, entglitt ihr ein «Du sagst mir Bescheid, wenn es dir nicht gutgeht, ja?».
    Sein umwölkter Blick war ihr Antwort genug, und sie wandte sich zum Gehen.

Ach, Ira. Was für ein Name. Wissen deine Eltern, welche Bürde sie dir damit auf die Schultern geladen haben? Ira furor brevis est. Kein Wunder, dass du so vorwärts preschst, aber dumm ist es natürlich auch. Du bist doch so jung, weshalb tust du dir das an?
    Ich frage mich, ob jemand von den anderen begreift, was du ihnen zu verstehen geben willst. Vermutlich ja, diesmal warst du deutlich genug. Aber keine Sorge, selbst wenn sie dir nicht folgen können: Zumindest in mir hast du einen aufmerksamen Leser, der deine Findigkeit bewundert, obwohl sie mir gleichzeitig den Schlaf raubt, und was mich beunruhigt, ist auch für dich nicht gut, Ira.
    Du wirst mir begegnen wollen, nicht wahr? Vor mir stehen und mir ins Gesicht sehen, darin etwas suchen, das du nicht begreifen kannst. Wie denn auch? Den Menschen, den du erwartest, gibt es nicht mehr. Alles ist dem Wandel unterworfen, und auf uns trifft das stärker zu als auf den Rest des greifbaren Universums. Vielleicht finden wir ein paar Minuten, in denen ich dir das erklären kann.
    Aber besser für dich wäre es, mit der Ungewissheit zu leben. Weiterzuleben.

Es musste zwei Monate her sein, dass Beatrice das letzte Mal vor Achims Tür gestanden hatte. Sie kam nicht gerne her, der Anblick ihres früheren Zuhauses, das Achim immer «unser Familienschlösschen» genannt hatte, machte ihr die Brust eng und das Atmen schwer.
    Aber die Kinder liebten es, und Beatrice konnte nicht verlangen, dass Achim sie jedes Mal zu ihr zurückbrachte, wenn er es übernommen hatte, sie von der Schule abzuholen.
    Noch hatte niemand ihre Anwesenheit bemerkt. Mina lag bäuchlings in der Hollywoodschaukel, ihr Zeigefinger wischte über

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