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Blinde Voegel

Blinde Voegel

Titel: Blinde Voegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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sich gegen die Vorstellung auf, wider besseres Wissen. Es war absolut notwendig, Dulovićs Kollegen unter die Lupe zu nehmen, sie wünschte sich nur, Stefan und Bechner hätten das übernehmen können.

    Ulrich Zischek war ein dürrer, großgewachsener Mann mit einem S-Fehler, der dazu geeignet war, Beatrice in den Wahnsinn zu treiben. Denn der Mann sprach seit fünf Minuten ohne Punkt und Komma, nachdem er zuvor eine Viertelstunde lang den Beleidigten gespielt hatte, voll Unverständnis dafür, dass man ihn herzitiert hatte.
    «Ich habe Rajko mehr als drei Wochen nicht gesehen, wir gehen nicht in dieselben Lokale, ich bin nämlich weg von der Szene. Kein Stoff, keine Nutten, es ist vorbei mit der ganzen Scheiße. Ich arbeite als Barkeeper und trinke höchstens drei Bier pro Abend. Fragt meinen Chef.»
    «Ganz bestimmt.» Man hätte denken können, Florin säße an einem Besprechungstisch des höheren Managements eines Wirtschaftsunternehmens, so verbindlich klangen seine Worte. «Aber Sie haben uns noch immer nicht gesagt, wo Sie am Nachmittag des vierzehnten September waren. Zwischen dreizehn und siebzehn Uhr.»
    Und vor allem um sechzehn Uhr, fügte Beatrice in Gedanken hinzu, zu der Zeit, als Dulović uns am Bahnhof hätte treffen sollen.
    «Das weiß ich doch nicht mehr!» Zischek war laut geworden, hatte sich aber schnell wieder im Griff. «Ich fange um zwanzig Uhr in der Bar an, und da war ich an dem Tag auch. Davor wahrscheinlich einkaufen. Fernsehen. Irgendwas total Normales. Wenn ich Rajko das Licht hätte ausblasen wollen, dann gäbe es jetzt ein Alibi, darauf könnt ihr euch aber verlassen.» Er sank gegen die Lehne seines Stuhls zurück wie ein angeschlagener Boxer in seine Ecke.
    «Außerdem ist er doch im Drogenrausch ersoffen, steht in der Zeitung.»
    «Möglich. Kann aber trotzdem sein, dass jemand nachgeholfen hat.»
    Zischek verschränkte die Arme. «Wieso denn ich? Ich hatte nie Ärger mit Rajko.»
    «Aber zwei Verurteilungen wegen vorsätzlicher Körperverletzung, und da haben Sie immer alte Kumpel verdroschen. Grund genug, wenigstens mal nachzufragen.» Nach wie vor vermittelte Florin den Eindruck, als halte er einen Plausch bei einer Tasse Kaffee, und als er jetzt das Diktafon hervorholte, tat er es so nebenbei, als wäre es ein Päckchen Zigaretten.
    «Ist das seine Stimme?»
    Sie hatten nur einen Satz überspielt. Den, der kaum auf die weiteren Zusammenhänge schließen ließ.
    «Ich möchte Ihnen etwas erklären, aber es ist schwierig und … ich weiß auch nicht alles.»
    Zischek runzelte die Stirn. «Möglich. Aber die klingen doch alle gleich.»
    Die. Aha. «Sollen wir es Ihnen noch einmal vorspielen?»
    Er nickte und bemühte sich sichtlich um einen konzentrierten Gesichtsausdruck.
    Florin stellte das digitale Gerät auf Wiederholung, und der Anrufer brachte sein Anliegen dreimal, viermal, fünfmal vor.
    «Ja, ich glaube, das ist er. Klingt wie Rajko.»
    «Können Sie sich vorstellen, was er von uns wollte?»
    «Nein.»
    «Denken Sie ein wenig nach. Was könnte der Grund dafür sein, dass jemand wie Dulović die Polizei kontaktiert?»
    «Keine Ahnung!» Zischeks Hilflosigkeit wirkte echt, aber das musste nichts heißen. «Wir hatten keinen Kontakt mehr. Seine anderen Geschäftspartner von früher auch nicht, soviel ich weiß. Rajko hat angeblich neue Vertriebswege gefunden und neue Freunde. Oder alte Freunde, was weiß ich.»
    «Gibt es Namen?»
    «Keine, die ich kenne.»

    Der Tag verlief anstrengend, ohne Ergebnisse zu bringen. Keiner der Befragten hatte Dulović in letzter Zeit gesehen oder wusste, in welchen Kreisen er sich derzeit bewegte.
    «Siehst du?» Beatrice rempelte Florin freundschaftlich mit der Schulter an. «Die hier haben auch Kreise. Eine ganz andere Kategorie von Society.»
    Sie waren in ihr Büro zurückgekehrt, ihre Notizen in der Hand, die gegen Ende hin immer unleserlicher geworden waren. Nach fünf Stunden konzentrierten Zuhörens, das keinen einzigen interessanten Anknüpfungspunkt gebracht hatte, war Beatrice erschöpfter als nach einer ganztägigen Bergwanderung.
    «Ich finde, Stefan und Bechner sollten sich in den Lokalen umhören, in denen sich Dulović herumgetrieben hat», schlug sie vor. «Wenn sich dann nicht allmählich etwas abzeichnet, das wie ein Konflikt aussieht, müssen wir es möglicherweise doch als Unfall im Drogenrausch durchgehen lassen.»
    Florin hatte Kekse aus seiner Schublade geholt und bot sie Beatrice an, aber ihr war der Hunger schon

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