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Blinde Voegel

Blinde Voegel

Titel: Blinde Voegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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gegeben, wenn Ira trotzdem an ihr dranblieb, war sie wohl einsamer als gedacht.
    «Ich höre viel Verschiedenes», schrieb Beatrice, um Zeit zu gewinnen. Mit welcher Antwort würde sie am ehesten ein Gefühl der Verbundenheit herstellen können? Es half nichts, sie musste ins Blaue schießen und sich auf ihren Instinkt verlassen.
    «Nick Cave zum Beispiel, und Radiohead.»
    «Ja, Radiohead ist geil. How to disappear completely könnte ich in Dauerschleife hören.»
    Na toll, das kannte Beatrice nicht mal. Sie googelte hastig, ob es eine Falle war – nein, den Titel gab es.
    «Ist auch eine meiner Lieblingsnummern.» Sie suchte bei YouTube danach, wurde fündig, klickte auf das oberste Video.
    Wieder hypnotischer Sound im Hintergrund, wenn auch ganz anders als bei «Pantera». Wenig Text, aber zwei Zeilen, die immer wiederkehrten.
    «I’m not here, this isn’t happening», schrieb Beatrice.
    «Genau so ist es.»
    War das noch Doppeldeutigkeit? Oder ein Statement zu Iras eigener Verfassung? Der viel zitierte Hilferuf? Beatrice faltete die Hände vor dem Mund, sie brauchte einen guten nächsten Satz, doch bevor sie auch nur den Funken einer Idee hatte, war schon eine weitere Meldung von Ira erschienen.
    «Kann es sein, dass wir eine Menge gemeinsam haben?» Auf keinen Fall in puncto Todessehnsucht. Beatrices Finger schwebten über der Tastatur. Ging es hier eigentlich noch um Musik? Oder um mehr?
    Um mehr, dachte sie, das vertraute warme Gefühl im Bauch, das einem wichtigen Schritt vorausging. Aber Ira würde ihr auf die Sprünge helfen müssen.
    «Was genau meinst du?»
    «Etwas, das Vorsicht erfordert. With these scars on my wrists, to prove I’ll try again.»
    Wieder der Selbstmordbezug. Beatrice musste an die Suizid-Pakte denken, die oft übers Internet geschlossen wurden. Suchte Ira jemanden, mit dem gemeinsam sie sich umbringen konnte? Und gab es da eventuell eine Parallele zu Pallauf und Beckendahl? War das ein solcher Fall gewesen?
    Alles sprach dagegen. Die Aussagen von Sachs, die Auswertung der beiden Computer. Es hatte keine Absprachen gegeben.
    «Ich muss zugeben, dass ich dir gerade nicht folgen kann», schrieb Beatrice. Mit etwas Glück würde Ira deutlicher werden.
    «Tut mir leid, dann habe ich mich geirrt», kam prompt die Antwort. «Nicht so schlimm. Ich wünsche dir noch einen schönen Abend.»
    Verdammt. «Ich wüsste trotzdem gern, was du gemeint hast», versuchte Beatrice, das Gespräch zu retten.
    Keine Reaktion. Eine Minute verging, zwei. Und sie konnte Ira nicht einmal ein persönliches Treffen anbieten, nachdem sie sich heute bereits in Fleisch und Blut als Polizistin vorgestellt hatte.
    «Wenn ich etwas Falsches gesagt habe, tut es mir leid», tippte sie, aber die Chance war vertan, das hatte Beatrice im Gefühl. Ihre Reaktion auf das Zitat aus Suicide Note Part 1 war falsch gewesen. Ira Sagmeisters Name war aus der Chatliste verschwunden.

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel sieben
    N och vor dem Schlafengehen hatte Beatrice den Chatdialog in ein Word-Dokument kopiert und ausgedruckt. Die entscheidende Stelle hatte sie mit grünem Marker umrandet.
    «Kann es sein, dass wir mehr gemeinsam haben, als ich bisher gedacht habe?»
    «Was genau meinst du?»
    «Etwas, das Vorsicht erfordert. With these scars on my wrists, to prove I’ll try again.»
    Dann Beatrices offen eingestandene Ahnungslosigkeit und Iras totaler Rückzug.
    «Sie ist gefährdet. Und es gibt etwas, das sie uns nicht verrät. Schon gar nicht der Kriminalpolizei, aber auch nicht Tina Herbert, die auf die gleiche Musik steht wie sie.»
    Vor Florin auf dem Tisch lag eine Kopie des Ausdrucks. Er las das Gespräch mittlerweile zum dritten Mal. «Du denkst, sie wollte wissen, ob du für einen gemeinsamen Selbstmord zu haben bist, und hat dichtgemacht, weil sie dachte, du stellst dich dumm.»
    «Vielleicht. Auf jeden Fall wollte sie eine andere Reaktion, meiner Meinung nach eine ganz konkrete. Und ich finde, sie braucht Hilfe, ich weiß nur nicht, wie wir ihr die zukommen lassen sollen.»
    «Ich auch nicht.» Mit resigniertem Blick legte Florin die Hand auf den dicken Ordner, der auf dem Schreibtisch lag. «Vor allem, weil wir uns um Rajko Dulovićs Drogenfreunde kümmern müssen. Stefan hat sich mit der Abteilung Suchtmittelkriminalität zusammengesetzt und die Kontakte herausgesucht, die am ehesten als gewaltbereit verschrien sind. Mit denen fangen wir an und arbeiten uns notfalls von dort aus weiter.»
    Innerlich bäumte Beatrice

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