Blinde Voegel
einverstanden, mit ihnen habe ich das schon besprochen.»
«Hast du das?» Sie hörte die Schärfe in ihrer Stimme selbst, aber ihr Ärger über die Art, wie Achim sie übergangen hatte, war stärker. Die Kinder hatten sich einverstanden erklärt, freuten sich vermutlich sogar. Wenn sie nun nein sagte, war sie die Spielverderberin, die den ganzen schönen Plan zum Scheitern brachte. Achim hatte ihr nur zum Schein die Wahl gelassen, in Wahrheit hatte er die Sache beschlossen und basta. Er würde es natürlich nicht verstehen, wenn sie es ihm erklärte.
«Wenn die Kinder keine Lust dazu gehabt hätten, dann hätte ich dich gar nicht mit dem Thema behelligen müssen.» Es hörte sich beinahe entschuldigend an. Er wollte offenbar keinen Streit, und vielleicht war sein Vorschlag wirklich nett gemeint.
Jakob grinste sie von der Seite her an, mit dieser Zahnlücke, die sie so liebte und die sich bereits zu schließen begann. «Dann müssten wir an einem Tag auch nicht in die Nachmittagsbetreuung und so. Bitte!»
«In Ordnung.» Plötzlich drückte die Müdigkeit Beatrice fast zu Boden. Oder war es das viele Essen?
«Es wäre gut, wenn wir einen fixen Tag dafür ausmachen könnten, dann kann ich meine Termine entsprechend einteilen.» Er klang eifrig. «Was hältst du von Mittwoch? Mittwoch auf Donnerstag?»
«Ja. Finde ich gut.»
«Wunderbar.» Er lachte. «Muss ewig her sein, dass wir das letzte Mal einer Meinung waren!»
Ira Sagmeister In jene Schlucht, drin Luchs und Panther wüten,
Versanken unsere Helden kampfesbleich,
Und an den Sträuchern hängt ihr Fleisch wie Blüten.
In diese Hölle, unsrer Freunde Reich,
Lass, Grausame, uns reulos niedergleiten,
Dass unser Hass durchglüh’ die Ewigkeiten!
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Es war keine Tankstelle diesmal, die Ira als Foto dazu gepostet hatte, sondern eine Parkbank, daneben ein grüner, metallener Mülleimer, aus dem zerquetschte Getränkedosen quollen.
Der Ausschnitt war so gewählt, dass man kaum mehr als die Bank erkennen konnte, eventuell ein Stück gelbliche Mauer in einiger Entfernung – was dafür gesprochen hätte, dass das Foto im Hellbrunner Schlosspark aufgenommen worden war.
Ein Schuss ins Blaue. Beatrice kannte die Grünflächen der Stadt nicht gut genug, um diese Parkbank zuordnen zu können. Ebenso gut konnte sie auf dem Mönchsberg stehen oder im Garten von Schloss Mirabell.
Oder sogar außerhalb von Salzburg.
Sanft ließ Beatrice den Rotwein in ihrem Glas kreisen, atmete den Duft ein. Achims Abendessen lag ihr nach wie vor im Magen, in mehrfacher Hinsicht. Aber es hatte die Kinder müde gemacht, das war gut. Beide waren ohne Protest ins Bett gekrochen und innerhalb von Minuten eingeschlafen.
Eine Parkbank also. Und dazu die grausamen ersten drei Zeilen des Gedichts.
In jene Schlucht, drin Luchs und Panther wüten,
Versanken unsere Helden kampfesbleich,
Und an den Sträuchern hängt ihr Fleisch wie Blüten.
Das Bild war verstörend. Es weckte in Beatrice Erinnerungen an Unfallszenarien, vor allem an den Einsatz vor drei Jahren, in der Wohnung eines knapp zwanzigjährigen Jungen, der mit Silvesterraketen experimentiert hatte. Damals war Herbert noch dabei gewesen.
Beatrice gab «In jener Schlucht, drin Luchs und Panther wüten» bei Google ein und landete seitenweise Treffer. Das Gedicht hieß «Zweikampf» und war von Charles Baudelaire, es gab einige Interpretationen dazu. Aber viel interessanter war das, was die Gruppenmitglieder zu sagen hatten.
Oliver Hegenloh Finde ich unglaublich stark, sprachlich. Aber trotzdem frage ich mich langsam, warum du immer so deprimierende Gedichte aussuchst. Ich setz da jetzt mal einen Kontrapunkt.
Was er dann auch getan hatte, in Form von Kästners «Sachlicher Romanze». Die musste warten, erst wollte Beatrice die restlichen Kommentare auf Sagmeisters Post lesen.
Nicola DVD Die ersten drei Zeilen brechen mir das Herz, die letzten drei geben mir Hoffnung.
Hoffnung? Hass, der die Ewigkeiten durchglüht, gab ihr Hoffnung? Wie es schien, hatte Ira in Nikola eine Seelenverwandte gefunden, eine weitere Frau mit schweren Problemen. Beatrice nahm sich vor, ihre älteren Postings noch einmal und aufmerksamer zu lesen.
Phil Antroph Da soll noch mal jemand sagen, Gedichte seien nur etwas für Romantiker.
Boris Ribar Meiner Erfahrung nach sind Gedichte etwas für schlaue Köpfe. Und manchmal auch für Köpfe, die gerne als schlau gelten möchten.
Phil Anthrop Schreib doch gleich «für Angeber», wenn es das ist,
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