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Blinde Voegel

Blinde Voegel

Titel: Blinde Voegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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für Polizisten ist es nun einmal schwieriger als für andere.» Sie breitete die Arme aus. «Sieh mich an. Katastrophale Ehefrau, höchstens mittelmäßige Mutter, erbärmliche Köchin. Dabei bemühe ich mich in allen diesen Disziplinen so sehr oder habe es wenigstens in der Vergangenheit getan. Nur hilft das leider nichts, denn jeder ungeklärte Todesfall hat Vorrang.»
    Die Andeutung eines Lächelns, immerhin. «Du bist toll», sagte Florin leise. «Stell dein Licht nicht unter den Scheffel, nur um mich aufzubauen.»
    Von wegen Licht, dachte Beatrice. Von wegen toll. «Flieg zu Anneke», wiederholte sie und strich ihm in Gedanken eine Haarsträhne aus der Stirn. «Sprecht euch aus, und wer weiß, vielleicht läuft dann ja doch alles so, wie du es dir wünschst.»
    Er lachte kurz auf, ein Lachen wie ein Schlag, den er gegen sich selbst führte. «Klingt richtig gut. Das Dumme ist, ich habe keine Ahnung, was ich mir wünschen soll.»

    Florins eigenartige Stimmung begleitete Beatrice den ganzen Abend lang wie eine Melodie, die sie nicht mehr aus dem Ohr bekam. Sie stellte wieder einmal ihre traurigen Kochkünste unter Beweis, indem sie Lasagne mit Fertigsauce fabrizierte, die dann auch beinahe anbrannte, während sie mit Jakob die Fehler in seiner Deutsch-Hausaufgabe korrigierte. Acht Stück, und das, obwohl er nur hatte abschreiben müssen.
    «Ist doch überhaupt nicht wichtig, ob man Mehl oder Mel schreibt», verteidigte er sich. «Jeder weiß, was es heißen soll.»
    Sie versuchte, ihm klarzumachen, dass dem nicht so war. Dass man den Unterschied zwischen Wahl und Wal gleich erkennen sollte, wenn man das Wort sah.
    «Tut man ja!», rief er triumphierend. «Weil das eine ein Die-Wort und das andere ein Der-Wort ist.»
    Immerhin war Grammatik ihm nicht gleichgültig. Er ließ sich von ihr drücken, und in ihren Armen kam sein dünner, zappeliger Körper für einen Moment zur Ruhe. Beatrice atmete seinen Kindergeruch ein, bevor er sich losmachte und mit wildem Geheul aus dem Zimmer stürzte.
    Nach der Lasagne, von der Mina höchstens fünf Bissen aß, spielten sie zu dritt eine Runde Mensch ärgere dich nicht, wobei Beatrice sich alle Mühe gab, trotz unverschämten Würfelglücks zu verlieren. Was Mina sofort durchschaute, Jakob aber nicht.
    Dann waren die Kinder im Bett, und der laue Herbstabend zog Beatrice hinaus auf ihren Balkon. Sie klappte das Notebook auf und verband es mit dem Internet, in der stillen Hoffnung, in der Gruppe möge Ruhe eingekehrt sein. Dann könnte sie sich quer durch die Beiträge lesen und in spätestens einer halben Stunde mit einem Buch im Bett liegen. Nur bitte keine weiteren Krisen und vor allem keine Selbstmordkandidaten mehr.
    Schon der erste Blick machte Beatrice klar, dass eine halbe Stunde niemals ausreichen würde, um den Wust an neuen Nachrichten zu bewältigen. Sie stand noch einmal auf und holte sich Block und Kugelschreiber. Eigene Notizen waren erfahrungsgemäß das beste Mittel, um den Überblick zu bewahren.
    Besondere Aufmerksamkeit gedachte sie den Usern zu schenken, von denen sie wusste, dass sie in Salzburg lebten – doch neben Helen Crontaler war das nur noch Boris Ribar und Christiane Zach, die Krankenschwester, die sich unverdrossen um gute Stimmung bemühte.
    Wohnorte! notierte sie und unterstrich das Wort doppelt. Wahrscheinlich hatte sie bald eine neue Aufgabe für Bechner, nämlich die Adressen aller achthundert Lyrikfreunde herauszufinden, und spätestens dann würde er sie verfluchen. Aber es half ja nichts. Sie mussten wissen, wer aus der Gruppe in der Umgebung zu Hause war, nicht zuletzt, weil die Sterblichkeit unter den Salzburger Mitgliedern im Moment bedenklich hoch war. Beckendahl war aus Hannover gekommen, aber erdrosselt worden war sie hier.
    Der Tod ist ein Meister aus Salzburg, dachte Beatrice, in Abwandlung von Celans berühmtem Gedicht. Aber vor allem ein Meister aus Fleisch und Blut, dessen war sie sich immer sicherer. Sie lockerte ihre Schultern und begann mit dem untersten Posting von jenen, die sie noch nicht kannte. Nirgendwo ein Gedicht, nur hitzige Diskussionen über Ira und ihren Verbleib, ihren seelischen Zustand. War ihr ein Selbstmord zuzutrauen?
    Dominik Ehrmann, der Lehrer aus Gütersloh mit dem sympathischen Gesicht, wirkte enorm nervös. In regelmäßigen Abständen appellierte er an Helen und die anderen Salzburger, doch an Iras Wohnung vorbeizufahren und zu klingeln, notfalls die Nachbarn zu befragen. Etwas zu tun.

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