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Blinde Voegel

Blinde Voegel

Titel: Blinde Voegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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möglich. Ira wird noch untersucht, damit wir ausschließen können, dass jemand anders ihr das angetan hat.»Dieser Gedanke schien Sagmeister bisher noch nicht gekommen zu sein. «Jemand anders … heißt das, sie könnte gestoßen worden sein?»
    «Wir glauben es nicht, aber wir müssen alle denkbaren Möglichkeiten in Betracht ziehen.»
    Sagmeister schlang die Arme um sich, als würde ihm das helfen, sich aufrecht zu halten. «Mein Gott», murmelte er. «Das kann doch nicht sein, niemand würde Ira etwas tun. Ira doch nicht, warum denn auch. Das kann nicht stimmen.»
    Beatrice verständigte sich stumm mit Florin; es war genug für heute. «Wir lassen Sie jetzt nach Hause bringen, und ich schicke Ihnen jemanden, mit dem Sie reden können, gut?»
    Sagmeister antwortete nicht, sein Blick ging in die Ferne, die Vergangenheit, nach innen. Sie begleiteten ihn hinaus und verabschiedeten sich von ihm. Beatrice glaubte nicht, dass er etwas davon mitbekam.

    Adina Sagmeister war siebenundvierzig gewesen und hatte ihrem Leben mit einem Cocktail aus Oxycodon, Diphenhydramin, Alprazolam, Diazepam, Lorazepam und einer Flasche Wodka ein Ende gesetzt.
    Vogts Sekretärin hatte den Obduktionsbericht innerhalb von zehn Minuten gefunden und sofort an Beatrice weitergemailt. Der Tod von Iras Mutter war zweifelsfrei als Suizid eingestuft worden. Adina Sagmeister hatte die Tabletten über einen längeren Zeitraum gehortet und für die Durchführung ihres Selbstmords ein Wochenende gewählt, an dem ihr Mann mit Freunden wandern war.
    Wie musste er sich gefühlt haben, als er nach Hause kam! Beatrice schüttelte den Gedanken ab wie eine unwillkommene Berührung. Manche Menschen waren vom Unglück verfolgt.
    Auch dieses Klischee schob sie schnell wieder fort. Jetzt ging es um Fakten. Sie griff nach dem Telefonhörer und wählte Kossars Nummer. Er war nach dem ersten Signalton am Apparat.
    «Yes?»
    «Ach bitte, lassen Sie uns doch Deutsch sprechen. Hier ist Kaspary.»
    «Beatrice! Wie schön.»
    «Ich will Sie nicht lange aufhalten. Wie intensiv haben Sie sich mit dem Thema Selbstmord beschäftigt?»
    Kurze Pause. «Nicht mein Spezialgebiet, aber auch kein unbekanntes Terrain.»
    Kossars neue Bescheidenheit war eine wahre Wohltat. Wenn er noch zwei-, dreimal auf die Nase fiel, würde er richtig erträglich werden.
    «Ist die Neigung zu Selbstmord vererbbar?»
    Sie hörte ihn Luft holen. «Es gibt eine gewisse erbliche Veranlagung für die Ausprägung bipolarer Störungen, die Auslöser für einen Suizid sein können. Also quasi vererbte Depressionen. Und natürlich ist es eine schwere Belastung für ein Kind, wenn Vater oder Mutter sich das Leben nehmen. Statistisch gesehen gibt es eine Häufung von Selbstmorden bei Kindern, deren Eltern den gleichen Weg gegangen sind.»
    Das bestätigte Beatrices eigene Theorie, obwohl sie gehofft hatte, etwas anderes zu hören. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass hinter dem, was sie hier laufend als Selbstmord und als Unfall bezeichneten, eine Schattengestalt stand, flüchtig wie Rauch. Und diese Gestalt trug Iras Notebook bei sich, ebenso wie das Blatt Papier, das Sarah Beckendahl im Sterben hatte festhalten wollen.
Marja Keller Weis endlich jemand, was los ist? Hat sich Ira bei euch gemeldet?
Phil Anthrop Sie hat nichts mehr gepostet. Ich habe keine Ahnung, obwohl ich fast die ganze Nacht hier online war. Ich warte auf Nachricht von denen, die in Salzburg wohnen.
Dominik Ehrmann Ich auch. Mir ist seit Stunden schlecht vor Sorge.
Boris Ribar Ich kenne Ira nur aus dem Internet, aber sogar mir hat diese Sache den Schlaf geraubt. Hat wirklich niemand etwas erfahren?
    Ribar tappte also noch im Dunkeln, blieb zu hoffen, dass das auch für den Rest der Presse galt. Beatrice scrollte tiefer, tiefer und tiefer. Die Gruppe hatte sich die ganze letzte Nacht über in Aufruhr befunden. Seitenweise Spekulationen, unheilvolle Ahnungen und Appelle an Ira, sich doch bitte zu melden. Ein Lebenszeichen zu geben, egal wie unbedeutend. Was nicht geschehen war, natürlich.
Christiane Zach Ich glaube ja, dass Ira in ein paar Tagen wieder hier auftaucht. Sie hat schon so oft Gedichte übers Sterben gepostet, dass ich denke, sie braucht das.
Marja Keller Du hast doch keine Ahnung, von wegen, sie braucht das! Verschohn uns mit deinem Mist!
Christiane Zach Marja, du vergreifst dich im Ton. Auf diesem Niveau will ich mich nicht unterhalten.
Boris Ribar Leute, versuchen wir, nett miteinander umzugehen, auch wenn die Nerven

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