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Blinde Voegel

Blinde Voegel

Titel: Blinde Voegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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Irgendetwas.
    Beatrice schrieb ihn auf ihre Liste. So viel Sorge um eine Fremde war auffällig, soziales Engagement hin oder her. Über fünfzig Kommentare lang wogte die Stimmung hin und her. Wir müssen etwas tun; wir können nichts tun; es geht uns nichts an; wenn sie tot ist, werden wir es erfahren; es wird schon nichts passiert sein.
    Dann, wie eine Bombe, das aktuellste Posting.
Helen Crontaler Ich fürchte, wir müssen wirklich mit dem Schlimmsten rechnen. Ich habe die Polizei kontaktiert und bin dort gegen Betonwände gelaufen, aber es war nicht zu überhören, dass der Beamte Iras Namen kannte. Wir sollten uns auf schlechte Nachrichten vorbereiten.
Phil Anthrop Oh nein. Aber du weißt nichts Genaues, oder? Du vermutest nur.
Helen Crontaler Ich bin nicht dumm, Phil. Ich merke, wenn jemand mir etwas verschweigt. Der Polizist hat außerdem gesagt, er dürfe mir keine Auskunft zu Personen geben, mit denen ich nicht verwandt bin. Wäre alles in Ordnung, hätte er nicht sofort gewusst, von wem ich spreche, und wäre mit meiner Besorgnis ganz anders umgegangen.
    Da hatte sie leider recht. Beatrice wippte auf ihrem knarzenden Stuhl vor und zurück. Sie konnten Crontaler noch nicht mal den Vorwurf machen, dass sie vertrauliche Informationen öffentlich gemacht hatte.
Boris Ribar Das hört sich logisch an. Wie furchtbar. Ich kannte sie nur von hier, und auch das erst seit kurzem, aber falls Ira sich wirklich umgebracht haben sollte, erschüttert mich das sehr. Wie müssen sich die fühlen, die ihr nähergestanden haben …
Oliver Hegenloh Ich glaube es einfach nicht. Ich will es nicht glauben.
Marja Keller Das ist so grauenvoll. Ich kan hier nich mehr mitmachen. Tut mir leid, ich hoffe, ihr versteht mich. Ich habe angst.
Boris Ribar Marja, wieso denn Angst? Ira hat eine schreckliche Entscheidung getroffen, aber du musst es ihr doch nicht nachmachen.
Ren Ate Ich verstehe dich, Marja. Erst Gerald und jetzt Ira. Wenn ich abergläubisch wäre, würde ich auch denken, es geht nicht mit rechten Dingen zu.
Marja Keller Nein, Renate, das ist es nicht. Ich bin nicht abergleubisch, aber wenn der tod umgeht, dann verstecke ich mich. Ich kenne ihn gut, und spühre, wenn er in meiner Nähe ist. Ira hat er schon geholt. Gerald auch. Ich möchte mich abmelden, ich steige aus.
    Ich steige aus , als wäre sie an einer geheimen Aktion beteiligt und nicht Teil einer virtuellen Versammlung von Poesiefreunden. Ira hatte kurz vor ihrem Tod das Gleiche gepostet, wortwörtlich.
    Nachahmungstäter, ging es Beatrice durch den Kopf. Selbstmörder suchten sich häufig Gleichgesinnte im Internet. War es denkbar, dass die Lyrikgruppe ein verkappter Treffpunkt war? Ein Ort, an dem man die Dinge nicht beim Namen nennen musste, wo man sich aber trotzdem erkannte und auf spezielle Art verständigte? Hatte Marja das gemeint, und hatte sie Angst, von dem Sog erfasst zu werden?
    Sie würden es herausfinden. Marja kam ganz oben auf ihre Liste. Wenn sie etwas wusste, wollte Beatrice es auch wissen.
Gloria Lähr Ihr seid so voreilig. Ich lese hier meistens nur mit, und Iras Beiträge habe ich immer besonders aufmerksam gelesen. Ich bin Psychologin, ich glaube nicht, dass sie akut suizidgefährdet ist. Das heißt natürlich gar nichts, es ist nur mein Eindruck, und die meisten Ferndiagnosen sind falsch. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass Ira noch lebt und hier mitliest.
    Leider nicht. Beatrice notierte Gloria Lährs Namen auf ihrer Liste. Wenn sie Ira seit längerer Zeit beobachtete, konnte es aufschlussreich sein, mit ihr zu sprechen. Möglicherweise fiel ihr auch zu Pallauf etwas ein.
Boris Ribar Das sind gute Nachrichten, vielen Dank!
Gloria Lähr Nein, Boris. Keine Nachrichten, sondern ein Eindruck, den ich nur wegen Marja erwähnt habe.
Oliver Hegenloh Ist aber auch für andere tröstlich. Ira, wenn du wirklich hier mitliest, dann bitte mail mich an! Ich sitze vor dem Computer, skype ist offen, und wir können unter vier Augen sprechen. Erinnere dich, das hat dir schon einmal geholfen. Bitte!
    Oliver wanderte als Nächster auf Beatrices Liste. Ihr war flau zumute, die Hoffnung, die aus den Wortmeldungen sprach, schlug ihr auf den Magen. Ein Happy End würde es nicht geben. Keine Ira auf skype, nie wieder.
    Hör auf, mahnte sie sich selbst. Niemand aus der Gruppe wird zusammenbrechen, wenn die Wahrheit ans Licht kommt. Es sind Online-Bekanntschaften, keine Angehörigen. Iras Vater hier zu lesen, das wäre unerträglich, aber ein Dominik Ehrmann oder

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