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Blinde Voegel

Blinde Voegel

Titel: Blinde Voegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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würde. Anrufe dieser Art bekamen sie immer wieder.
    «Deshalb dachte ich mir, Sie können uns bestimmt helfen. Wenn Helen wüsste, was passiert ist, würde ihre Phantasie nicht so verrücktspielen.»
    Aber ja. Und dann könnte sie ihr Insiderwissen auf Facebook posten und voller Genuss eine weitere Welle des Entsetzens auslösen.
    Beatrice bemühte sich um einen neutralen Ton. «Es tut mir sehr leid, Herr Crontaler, aber das geht nicht. Weder Sie noch Ihre Frau sind mit Ira Sagmeister verwandt.»
    So leicht ließ er sich nicht abschütteln. «Es scheint uns nur so merkwürdig. Dass niemand etwas weiß. Meine Studenten stellen mir ebenfalls Fragen, einige von ihnen kannten Ira. Zumindest übers Internet.»
    Florin, der sich längst mit einem Schnauben abgewandt hatte, würde sich in seiner Abneigung gegen die Crontalers bestätigt fühlen, wenn Beatrice ihm die Details des Gesprächs erzählte. In unseren Kreisen ist man informiert. Sie musste wohl deutlicher werden.
    «Um ehrlich zu sein, ich verstehe Ihr Anliegen nicht ganz. Ira Sagmeister ist tot, allem Anschein nach hat sie sich selbst das Leben genommen. Und Sie wollen nun wirklich wissen, auf welche Art sie das getan hat? Als Nächstes hätten Sie dann wahrscheinlich gern Bilder von der Auffindungssituation?» In einem versteckten Winkel ihrer selbst entdeckte Beatrice den perversen Wunsch, ihm genau diese Bilder zu zeigen. Sie auf dem elegant dekorierten Tisch im salonartigen Wohnzimmer der Crontalers zu verteilen und zu beobachten, wie dem Ehepaar die Farbe aus dem Gesicht wich und das Frühstück wieder hochkam.
    «Aber natürlich nicht. Was für eine geschmacklose Idee.»
    «Da sind wir dann ja einer Meinung.»
    Peter Crontaler schwieg, legte aber nicht auf. «Was soll ich meiner Frau sagen? Sie fühlt sich mitverantwortlich, so ist sie nun mal. Mehr Information würde ihr beim Verarbeiten helfen. War es denn sicher Selbstmord? Oder käme auch ein Unfall in Frage?»
    Er gab wirklich nicht auf, erstaunlich. «Herr Crontaler, war Ihre Frau mit Ira Sagmeister persönlich bekannt? Haben die beiden gelegentlich telefoniert, sich im Kaffeehaus getroffen, irgendetwas in dieser Art?»
    «Nein, nicht dass ich wüsste …»
    «Sehen Sie», unterbrach Beatrice ihn. «Ich will Ihrer Frau nicht die Betroffenheit absprechen, aber außer dem Internet gab es keine Verbindung zwischen ihr und Ira.» Sie ließ das Gesagte zwei Sekunden lang im Raum stehen, bevor sie nachsetzte. «Oder ist da noch etwas, das wir wissen sollten?»
    Als Crontaler antwortete, war sein Ton deutlich frostiger. «Nein. Ich bedaure sehr, dass ich Ihnen mit meinem Anliegen die Zeit gestohlen habe. Guten Tag.» Er hängte auf, bevor sie seinen Gruß erwidern konnte.
    Für einen Moment legte Beatrice den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Diplomatie war noch nie ihre Stärke gewesen, vermutlich sollte sie daran arbeiten.
    «Er wollte Details?», erkundigte sich Florin.
    «Ja. Helen ist ja neulich bei dir abgeblitzt, also hat er es jetzt versucht. Ich kaufe ihm jederzeit ab, dass seine werte Gattin ihn vorgeschickt hat, damit wir unter dem geballten Druck seiner Wichtigkeit einknicken.» Sie rieb sich den Nacken, der sich verspannter denn je anfühlte. «Ich bin nur skeptisch, was ihre angebliche persönliche Erschütterung angeht. Viel eher glaube ich, dass Helen Crontaler es schlecht ertragen würde, wenn jemand anders in der Gruppe vor ihr Bescheid wüsste. Na ja, vielleicht tue ich ihr Unrecht.»
    Sie wandte sich wieder ihrem Notebook zu. Boris Ribar hatte bisher keinen Kommentar unter der Todesanzeige hinterlassen. Hatte er den Eintrag noch nicht gelesen?
    «Ich brauche ein Bild von einer Kerze.»
    «Wie bitte?»
    «Ein Kerzenfoto. Tina Herbert soll ihre Betroffenheit ausdrücken, und ich will mich der Menge anpassen.» Über die Bildersuche bei Google wurde Beatrice binnen Sekunden fündig, stellte aber fest, dass die besseren Bilder schon von anderen Gruppenmitgliedern verwendet worden waren. Am Ende fand sie ein noch unverbrauchtes Foto, das nicht weihnachtlich aussah, speicherte es und lud es hoch.
    «Es ist unsagbar tragisch. Mein Mitgefühl ist bei allen, die Ira geliebt haben», schrieb sie dazu.
    Gut. Mehr war im Moment nicht zu tun.
    «Hast du dir schon überlegt», hörte sie Florin sagen, «dass Crontaler seine Frau nur als Vorwand benutzt hat, um dich auszufragen? Könnte doch sein, dass er aus eigenem Interesse angerufen hat.»
    «Hm. Ich sehe nicht, was er davon hätte, außer

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