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Blinder Eifer

Blinder Eifer

Titel: Blinder Eifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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gern drehen. Ein paar ältere Kinder waren auch dort, ein Junge und ein Mädchen schlürften Limonade. Hinter der Theke las ein großer, dürrer Junge eine Zeitschrift mit Namen Flex. Kraftlektüre für jemanden ohne Bizeps, dachte Jury.
    Dolores Schell beugte sich im hinteren Teil des Ladens über eine Arbeitsplatte und las Rezepte, als er auf sie zuging. »Miss Schell?«
    Überrascht hob sie den Kopf. Sie trug eine nicht sehr modische Hornbrille und war ziemlich klein, dünn und (wie Jury fand) »hibbelig«. Sie bewegte sich abrupt, beinahe zappelig. Dabei sah sie nicht unangenehm aus. Sie füllte eine umbrafarbene Flasche mit winzigen weißen Pillen. Beim Klang seiner Stimme rollten ein paar Pillen über die Theke. Ja, nervös. Deshalb war sie bestimmt auch so dünn.
    »Mein Name ist Richard Jury. Wir haben uns -beinahe! - vor einer Stunde kennengelernt. Ich bin von Scotland Yard, CID. Ich würde gern einen Augenblick mit Ihnen reden.«
    »Wegen Angela?« Er nickte. »Bitte.« Sie schraubte ein großes Glas Tabletten auf und begann, mit einem Trichter eine Anzahl in ein kleineres Glasgefäß umzufüllen.
    Er lächelte. »Ich dachte, wir könnten uns vielleicht hinsetzen.«
    Auch sie lächelte, doch nur kurz. »Tut mir leid, aber ich muß das jetzt erledigen - wie war Ihr Name?«
    »Jury. Superintendent, Kriminalpolizei.« Noch einmal zückte er seinen Ausweis, hatte aber den Eindruck, daß sie es genau wußte.
    »Ich habe hier haufenweise Rezepte zu erledigen, ein paar von den Leuten holen sie gleich ab.« Sie hielt einen kleinen Stapel weißer Bögen hoch und wedelte damit herum. Vielleicht wußte er ja nicht, was ein Rezept war.
    »Okay. Stört es Sie, wenn wir uns unterhalten, während Sie arbeiten?«
    »Keineswegs. Aber einen Moment bitte.«
    Bei diesen Worten verschwand sie zwischen den Medikamentenregalen. Halb verborgen von den Flaschen und Gläsern, sah er sie sozusagen stückchenweise - ein rechteckiges Stück weißen Kittel, ein Stück braunes Haar, Finger mit unlackierten Nägeln. Sein Blick verfing sich in einer Reihe kobaltblauer, umbra- und amethystfarbener Flaschen, wie sie manchmal als Dekoration in Apothekenschaufenstern stehen. Während er Dolly Schell beobachtete, las er schweigend die Schilder - Stärkungspillen, Rizinusöl, Fiebermittel. Ohne sich von seiner Gegenwart im geringsten stören zu lassen, arbeitete sie ruhig und effizient. Entweder vermochte Dolly Schell ihre Gefühle extrem gut zu verbergen, oder ein Gespräch über ihre Cousine Angela rief keine Gefühle hervor.
    Als sie mit mehreren Flaschen in der Hand zurückkam, sagte Jury: »Sie waren in Wiltshire, um Ihre Cousine zu identifizieren.«
    »Ja, genau.«
    »Soweit ich weiß, hat Angela Hope eine Schwester. Warum ist sie nicht hingeflogen?«
    »Weil sie erst dreizehn ist. Und Angela war Marys einzige Angehörige. Ich weiß nicht, ich fand den Gedanken schrecklich, daß sie dorthin fliegen sollte, um das zu erledigen.« Sie zuckte leicht die Achseln. »Ich habe angeboten, statt ihrer zu fliegen.«
    »Waren Sie und Angela eng befreundet?«
    Dolly Schell füllte eine Flüssigkeit in einen kleinen Plastikbehälter ab. »Nein. Wir haben uns selten gesehen. Um ehrlich zu sein, ich glaube nicht, daß sie mich mochte.« Sie klang traurig, während sie weiße Tabletten in einen kleinen Umschlag schob.
    »War Angela Hope eine Ihrer Kundinnen?«
    Da bedachte Dolly ihn aber doch mit einem ironischen Lächeln. »Nur im äußersten Notfall. Angela hielt mehr von Kräutern und dem Wirken Gottes.«
    Sie ging zu den Regalen und stellte das Glas zurück. »Ich glaube nicht, daß sie hier in Santa Fe je die Praxis eines Arztes betreten hat.«
    »Und wann war das?« Jury hob die Stimme, damit sie ihn hören konnte.
    »War was?«
    »Der äußerste Notfall?«
    »Ach ... das habe ich nicht wörtlich gemeint.«
    »Und wann im übertragenen Sinne?«
    Diesmal brachte sie ein kleines Glas rosafarbene winzige Pillen mit zurück. Dann spannte sie eine Rolle leerer Etiketten in eine alte, geradezu antike Underwood-Schreibmaschine und beschriftete ein Etikett. »Angela hatte Migräneanfälle, die auf kanadisches Gelbkraut und Sassafraswurzeln nicht ansprachen.« Sie schaute sich mit einem kleinen schuldbewußten Lächeln um. »Ich habe ihr ein paar Tylenole 3 gegeben, ein verschreibungspflichtiges Medikament. Buchten Sie mich jetzt ein?«
    Jury lächelte. »Die Befugnis habe ich nicht. Sie haben Detective Inspector Rush gesagt, Angela habe als Kind manchmal

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