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Blinder Eifer

Blinder Eifer

Titel: Blinder Eifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Nikotinsucht. Jury glaubte an menschliche Schwächen, er hielt sie oft für das einzig Versöhnliche. Der Himmel wußte, wie sehr er sich Angela in dieser Hinsicht verbunden fühlte. Was für ein Nervenkrieg! Wenn er das Gefühl hatte, daß er es keine fünf Minuten mehr ohne Zigarette aushielt, dachte er an Des, die auf dem hohen Hocker an dem Kiosk in Heathrow saß. Aus irgendeinem Grunde glaubte er, daß sie enttäuscht wäre, wenn er ihr erzählen mußte, er hätte es nicht geschafft. Dennoch: Das Bild, das er von Angela Hope zusammenpuzzelte, war das einer reizenden, wenn auch nicht unbedingt willensstarken Frau, die sich doch sehr wie ein Fähnchen im Wind drehte. Von der jüngeren Schwester dachte er das genaue Gegenteil. Sie war beständig wie ein Kompaß, der nach Nord-Nord zeigte.
    Mary saß zwar in ihrem Beerdigungsschwarz da, sah aber weniger wie eine trauernde Hinterbliebene aus als vielmehr so, als brauche sie gleich einen Ballermann.
    Rosella kehrte zum Thema »Sunnys Abstammung« zurück. Verächtlich, wie sie wohl immer mit Mary redete, sagte sie: »Ein stinkfauler Kojote, das ist er.«
    »Nicht fauler als Angela«, sagte Mary aus den Tiefen des Sessels, in dem sie sich vergraben hatte.
    Jury fand, die Bemerkung war gar nicht böse gemeint, doch Rosella ließ nun ihre geballte Wut an Mary aus. »So kannst du doch nicht über deine Schwester reden! Mein Gott! Sie ist tot!« Sie fing an zu weinen.
    Ihr Schmerz war echt. Jury stand auf und bot ihr sein Taschentuch an, das sie schnell nahm und wie einen Waschlappen vors Gesicht preßte. Sie versuchte, ihr Schluchzen zu unterdrücken.
    Aus Marys blassem Gesicht wich der letzte Rest Farbe. Aber Rosella hatte Mary mißverstanden. Als Mary von ihrer toten Schwester gesprochen hatte, hatte Jury sich nämlich gefragt, ob sie nicht auf einer tieferen Ebene glaubte, daß Angela gar nicht tot sei. Möglich, daß sie es in ihrem tiefsten Inneren einfach nicht glaubte.
    Jury hätte sagen können: »Tut mir leid, ich hätte Sie nicht dazu zwingen sollen, über sie zu reden. Ich hätte Sie nicht an sie erinnern sollen.« Aber davon hielt er nichts. Je mehr Tränen flossen, desto besser, und je Öffentlicher, desto befreiender. Jury machte sich Sorgen um Menschen, die sich unter Kontrolle hatten. Wie Mary.
    Rosella nestelte hilflos an einem Zigarettenetui, das mit bunten Steinen gespickt war. Ihre Hand zitterte. Das Etui erinnerte sie vielleicht mehr an Angela als ein Bild. »Jetzt muß sie sich keine Sorgen mehr darum machen, wie schädlich Rauchen ist.« Wieder begann sie zu weinen und rieb sich die Augen mit dem Handballen. »Wissen Sie, ich habe immer versucht, sie dazu zu bringen, was sie auch in dieser Reklame sagen: Schluß damit.«
    Mary ließ ihre Papierrakete oder was immer sie gefaltet hatte, zu Sunny segeln. »Mir war lieber, es wär nicht Schluß gewesen«, sagte sie. »Soll doch jemand anders zuerst Schluß machen.«
    Rosella schaute wieder auf. »So ein Quatsch, Fräulein Neunmalklug.«
    »Ja, genau, Quatsch. Das mein ich ja.«
    Jury überlegte, ob Mary begriff, wie traurig Rosella war, und nur deshalb Streit suchte, damit Rosella die Traurigkeit in Wut verwandeln konnte. Das wäre für eine normale Dreizehnjährige natürlich sehr sensibel. Aber wer sagte denn, daß Mary Dark Hope »normal« war?
    Er stand auf. »Ich muß gehen.« Er tätschelte Rosel-la die Schulter und gab ihr durch eine Geste zu verstehen, daß sie das Taschentuch behalten solle. »Ich hole es mir später wieder. Mary .«
    Mary war schon an der Tür. Er verabschiedete sich von Rosella und ging mit Mary zum Auto. Sie fragte ihn, wo er hinfahre.
    »Zum Abendessen mit Dr. Anders.« Er schaute auf die Uhr. »Ich bin schon zu spät.« Trotzdem blieb er, an die Fahrertür des Mietautos gelehnt, stehen.
    Sie fuhr mit der Hand über den Wagen. »Sie haben einen Le Baron.«
    Jury drehte sich um und schaute das Auto an, als sehe er es jetzt zum erstenmal. Bisher hatte er es nur als roten Flitzer auf vier Rädern gesehen. »Den haben sie mir gegeben.«
    »Es ist ein Kabrio«, sagte sie ein wenig empört, als wisse er weltliche Güter nicht richtig zu schätzen. »Sie haben das Verdeck ja gar nicht unten.«
    »Wir haben Februar.«
    Sie zuckte mit den Achseln.
    Er wollte eine Zigarette. Er wollte irgend etwas. Er merkte, daß sie ihn nicht gehen lassen wollte, während sie dort standen und in den blauen Abend schauten. Er blickte auf. Warum hatte er solche Sterne noch nie an einem englischen

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