Blinder Eifer
die Rede war, streckte vor dem Kamin alle viere friedlich von sich. Er pfiff und bellte leise und gab Hundegeräusche von sich.
»Ich habe noch nie einen Hund mit solchen OBeinen gesehen, wie Stöckchen, wie bei einem Huhn.«
Mary schaute Jury unschuldig an. »Rosella glaubt, daß Sunny heyoka ist. Daß er die Leute täuscht oder sie dazu bringt, komische Sachen zu machen.«
Wieder schnaubte Rosella. »Du weißt ja nicht mal, was das bedeutet. Du kennst ja die Legenden nicht. Du hast keine Ahnung.«
Demonstrativ freundlich sagte Mary: »Rosella ist eine Zuni. Jedenfalls ein bißchen.«
Rosella preßte die Hand an die Brust. »Nicht ein bißchen, Miss, fast nur, fast hundert Prozent. Du weißt ja nicht mal den Unterschied zwischen Navajo und Zuni, du hast keine Ahnung von den alten Legenden.« Die Hände in die Hüften gestemmt, stand Rosella neben dem Kamin, dessen Flammen geheimnisvolle Schatten auf ihr breites Gesicht warfen. Sie war in bunte, fließende Gewänder gekleidet, wobei sie Violett zu bevorzugen schien, obwohl es ihr überhaupt nicht stand, weil ihre olivfarbene Haut gräulich darin aussah. Die langen dunklen Zöpfe trug sie sonst in Schnecken über den Ohren, aber heute lang auf dem Rücken.
»Ich sag dir eins, Miss, wenn ich das nächstemal ins Zuni-Pueblo gehe, bleibe ich vielleicht da. Du bist groß genug und kannst für dich selbst sorgen. Du brauchst niemanden, oder etwa doch?« Und weil sie entweder vergessen hatte, daß Jury Polizist war, oder sich nicht drum scherte, sagte sie (wie eine Erwachsene zu einer anderen): »Ich bin nach Santa Fe gekommen, um am Institut zu unterrichten.«
Mary unterbrach sie. »Sie meint das für amerikanisch-indianische Kunst.«
»Ich weiß, was ich meine«, blaffte sie. Zu Jury sagte sie: »Ich bin hierhergekommen, um zu unterrichten, und dann wurde es mit meinen Händen so schlimm, daß ich nicht mehr mit Silber arbeiten konnte. Ich habe es Angela beigebracht, und sie war sehr, sehr gut. Hätte die beste sein können, wenn sie nicht so verträumt gewesen wäre.« Rosel-la ging zu einem kleinen Tisch und zog eine Schachtel heraus, in der sich ein paar wirklich hübsche, kunstvolle Stücke befanden. »Sehen Sie die?« Sie zeigte auf eine Halskette. »Ein Türkis, so fein gearbeitet wie ein Spitzengewebe. Sehr schwierig zu machen.« Ein Armband und eine Brosche waren im selben Stil gearbeitet. Dann nahm sie eine weitere Kette von der Filzunterlage, eine dicke geflochtene Schnur mit geschnitzten Vierbeinern und Vögeln. »Ein Amulett. Mein Volk macht sehr feine.« Sie zog ganz unten aus der Schachtel eine große Brosche mit einem einzigen Türkis heraus. »Die ist nichts wert, Kalkstein mit Plastik überzogen. Sehen' Sie, die Oberfläche ist ganz hart.« Sorgfältig stellte sie die Schachtel weg.
»Ah, du hast die Kristalle herausgeholt.« Mary nahm ein Stück Rosenquarz und betrachtete es eingehend. »Was bedeutet dieser Stein?«
»Für dich nichts. Du glaubst ja nur, was du auf dieser Welt siehst und fühlst. Also nichts.« Rosella ließ das halbe Dutzend Steine in einen Lederbeutel gleiten, als wolle sie sie vor schädlichen Einflüssen bewahren. »Vielleicht ist deine Schwester von schlechten Gedanken, bösen Gedanken, getötet worden. Ist dir das klar?«
Mary stöhnte wie jemand, der das alles schon einmal gehört hat. Hundertmal. Sie ließ sich in einen Sessel fallen und schloß die Augen. Sie war augenscheinlich der Meinung, daß sie Jury alles Wichtige erzählt hatte, jedenfalls mehr, als er von einem Haufen Kristalle erfahren konnte.
Jury wiederum war zu dem Schluß gekommen, daß Rosella ein völlig einseitiges Bild von Angela Hope zeichnete. Er fragte sich, ob die ältere Schwester wirklich so lieb und nett gewesen war und ob die »Spiritualität«, die die Haushälterin Angela zuschrieb, mehr als eine vage mystische Schwärmerei ohne festen Boden gewesen war. Er fand, Rosella überschätzte die eine Schwester und unterschätzte die andere.
Er verließ sich mehr auf Malcolm Coreys und Nils Anders' Beschreibung als auf die von Dolly Schell oder Ms. Bartholomew, zumindest bei Dolly war er sicher, daß Eifersucht das Bild der Toten verzerrte. Rosella hatte Malcolm Coreys Aussage bestätigt, daß Angela genau der Typ war, für den die Bio-und Kräuter-Gurus ihre Waren feilboten. Nur interpretierte die Haushälterin Angelas Neigung zu diesen Dingen als spirituelles Anliegen und nicht als naiv. Nach Rosellas Meinung war Angelas einzige Schwäche ihre
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