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Blinder Eifer

Blinder Eifer

Titel: Blinder Eifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Sie erzählen Geschichten. So stark ist es nun auch wieder nicht.« Dann tänzelte er am Tresen entlang, um Melrose und Trueblood noch einmal einzuschenken.
    »Ehrlich gesagt«, sagte Miss Fludd, »wäre ein Vulkan wenigstens mal eine Abwechslung.« Sie stieß einen langen Seufzer aus, der etwas in den Raum zu entsenden schien. »Es war doch mal schön, hm, Mount St. Helens zu sehen, oder?« Dann glitt sie vom Barhocker und bewegte sich, das kleine Glas seltsam orangefarbenen Biers in der Hand, mühsam durch den Raum, weil sie offenbar die Plakate an der Wand ansehen wollte. Sie betrachtete Slys Kollektion wie Gemälde in einer Galerie.
    Miss Fludd.
    Melrose dachte den Namen vor sich hin, als er sein Glas nahm und sich neben sie stellte. Dann sagte er laut: »Miss Fludd.«
    »Hallo«, sagte sie und wandte den Blick kaum von dem Poster. Es war ein Werbeplakat für Himmel über der Wüste, eine Neuerwerbung in den Slyschen Exponaten wüster Einöden. Eine dunkle Gestalt verdeckte mehr oder weniger eine andere in dunkler, windzerzauster Kleidung. Nachdem sie und Melrose es eine Weile lang bewundert hatten, ging sie zum nächsten. Melrose folgte ihr auf ihrem stillen Rundgang. Es gab etwa sieben oder acht neue und alte große Plakate, zumeist Bilder, die eine Wüste zeigten oder einem zumindest den Eindruck vermittelten, daß man in einer gelandet war.
    Miss Fludd sagte, ihr gefiele es sehr im Blue Parrot. Es sei so exotisch.
    Melrose war verblüfft. Er wurde tiefrot und war froh, daß so trübes Licht herrschte. (Es simulierte eher Wüstennächte als -tage.) Nun befanden sie sich vor Reise nach Indien . Die winzige Peggy Ashcroft stand in einer Sänfte am Kopf einer langen Karawane, die frühe Abendsonne färbte die weiten Sandflächen bernsteinfarben.
    Sie mochte Peggy Ashcroft sehr, sagte sie. Habe sie gemocht, korrigierte sie sich, nun sei sie ja tot.
    Neben dem Plakat hing das von Lawrence, der in seinen wehenden weißen Gewändern an einer Reihe dunkler Güterwagen entlangschritt. Melrose erinnerte sich an Jurys Kommentar zu den beiden nebeneinanderhängenden Plakaten, daß nämlich der Kamelzug auf dem einen und der Eisenbahnzug mit den vielen Güterwagen auf dem anderen sich aufeinander zubewegten, es ihnen aber verwehrt sei, sich je zu treffen. Das hatte er wahrhaftig gesagt. Während Melrose die Plakate betrachtete und sich dann im Raum umschaute (und versuchte, alles mit ihren Augen zu sehen), überlegte er, ob er zynisch geworden sei oder es ihm einfach nur an Phantasie mangele. Er erzählte ihr von Jurys Beobachtung.
    Jury müsse ein Romantiker sein, meinte sie. Dann nippte sie an ihrem Bier, schaute von einem Bild zum anderen und fügte hinzu: »Ein enttäuschter.«
    Worüber Melrose eine Weile nachdachte.
    Vor dem Casablanca-Plakat fragte sie ihn: »Waren Sie schon einmal in Paris?«
    Auch das erstaunte ihn. War nicht jeder dort gewesen? Das sagte er natürlich nicht. Für sie mußte Paris genauso unerreichbar sein wie Algier. Reisen war bestimmt beschwerlich für sie. Bedauernd deutete sie auf ihr Bein.
    »>Paris bleibt uns<«, zitierte sie aus dem Film. Sie seufzte. »Das haben sie gesagt, stimmt's? >Paris bleibt uns immer.<«
    Er begriff, daß eine ihrer entwaffnenden Eigenschaften ihre Direktheit war - sie sprach ihre gut oder schlecht formulierten Gedanken sofort aus, als habe sie keine Zeit zu verlieren. Und zu seinem Schrecken merkte Melrose plötzlich, daß er selten sagte, was er dachte. Das hatte nichts mit Ehrlichkeit oder Unehrlichkeit zu tun, sondern damit, daß seine Gedanken (wie die der meisten Menschen) blieben, was sie waren - unausgesprochen.
    Sie beendeten ihren Rundgang durch den Raum vor einem schäbigen alten Plakat von El Khobar -Schrecken der Wüste und einem mit Rudolph Valentino in einer schummrigen Szene mit tanzenden Mädchen, die Schleier flattern ließen. Dann gingen sie zum Tresen zurück, wo Miss Fludd den Rest ihres Tangier abstellte, Trueblood zunickte (der eine knallrosa Sobranie rauchte) und sagte, sie müsse gehen.
    Melrose half ihr in den Mantel und begleitete sie nach draußen.
    Am Brunnen öffnete sie das Päckchen. »Die habe ich gerade aus der Tschechoslowakei bekommen. Aus Marienbad. Das heißt, früher hieß es Marienbad. Ich frage mich, ob sie den alten Namen wieder nehmen. Wollen Sie eine?« Sie bot ihm eine große runde, hauchzarte Oblate an.
    Melrose brach ein Stückchen ab und probierte. »Lecker.«
    Sie nickte. »Wenn Sie neben uns wohnen, sollten Sie uns

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