Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blinder Eifer

Blinder Eifer

Titel: Blinder Eifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
sich träge, an der Decke wirbelten Rauchschwaden. Sie bildeten sich, lösten sich auf, bildeten sich neu.
    »Brennt hier was?« Trueblood schnupperte.
    »Vorsicht! Kamel!«
    In seiner selbst diagnostizierten Blindheit hätte Trueblood beinah das große Pappkamel umgeworfen, das auf einer Tafel die Speisekarte des Tages zeigte. Die wiederum nicht viel anders aussah als vor zwei Jahren, als Melrose mit Jury hiergewesen war. Wie konnte Trevor Sly bloß Monat um Monat, Jahr um Jahr das gleiche Essen servieren - und (angeblich) orientalisches, vielleicht auch libanesisches obendrein? Melrose sah ja ein, daß ein Happy-Eater-Restaurant bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag Eier, Bohnen und Pommes frites auftischte, aber wie oft konnte man Kibbi Bi-Saniyyi anbieten? Dann fiel ihm ein, daß die Hauptgerichte immer eine erstaunliche Ähnlichkeit miteinander aufwiesen. Und mit Hackfleisch.
    »Was, zum Teufel, ist Kifta Mishwi?« Trueblood beugte sich vor und betrachtete argwöhnisch die Speisekarte auf der Tafel.
    »Dasselbe wie Kibbi Bi-Saniyyi.«
    »Sehr hilfreich.«
    Trueblood studierte weiterhin den Höcker des Kamels, der die kreideverschmierte Tafel krönte, während Melrose, nachdem sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, den Raum unter die Lupe nahm. Er erinnerte sich nicht, daß es vorher hier so dunkel gewesen war, aber da hatte es ja auch noch keine Jalousien gegeben. Vorsichtig bahnte er sich einen Weg zwischen Tischen und Stühlen, die für Berberhorden viel zu zerbrechlich aussahen, und öffnete eine Jalousie, um mehr Licht hereinzulassen.
    Ansonsten war das Blue Parrot wie gehabt: Auf den Tischen standen kleine Blechkamele, Senftöpfe, die wie Sänften aussahen, Gläser mit Branston-Pickle und Ketchup. Die grünschimmernden Palmenlampen waren allerdings neu. Die drei Spielautomaten auch. Melrose schlenderte hin und sah, daß die Symbole für die Gewinnkombinationen nicht (wie üblich) aus Kirschen und Glocken, Orangen und Zitronen bestanden, sondern aus Sanddünen und Turbanen, Palmen und (wer sagt's denn) Kamelen. Wo hatte Trevor Sly diese Prachtexemplare aufgelesen?
    Die Wände hingen voll Poster mit exotischen Schauplätzen - Pyramiden, vor Hitze glühende Sandwüsten, schattige Innenhöfe, staubige Torwege mit ernsten, dunkeläugigen Kindern. Dazwischen einige alte Filmplakate, natürlich von Casablanca, die dahertrottende dunkle Karawane von Reise nach Indien und der Eisenbahnzug, an dem Lawrence von Arabien - das heißt Peter O'Toole als Lawrence - entlangschritt. Plant fragte sich, was für ein Ambiente Trevor Sly für den Blue Parrot kreieren wollte: allem Anschein nach entweder das eines vorgeschobenen Postens in Arabien, von Kalkutta, L. A. oder Las Vegas.
    Vielleicht glaubten die Gäste ja dann, daß der Besitzer selbst ein dunkelhäutiger Bursche mit Ohrring und Messer zwischen den Zähnen war und aus einer entlegenen, romantischen Gegend kam, von irgendeiner fernen Sanddüne. Pustekuchen!
    Trevor Sly (aus Todcaster) glitt wie ein Schatten durch einen weiteren Perlenvorhang, der den langen, glänzenden Tresen von den hinteren Räumen trennte - der Küche und Trevors Privatgemächern. Er war groß und dünn, in die Länge gezogen und gelblichblaß wie ein Karamelbonbon. Seine dürren Hände trug er vor sich her wie schlaffe Anhängsel, rieb sie aber beim Reden gern aneinander, und nun, da er redete, hatte er damit schon begonnen, bevor der Vorhang klimpernd hinter ihm zusammenschlug.
    »Meine Herr'n, meine Herr'n ...« Seine Worte schnurrten ab, wurden langsamer und rasselten dann wieder heraus, als sei er ein Aufziehspielzeug. »Das ist doch Mr. Plant?! Wie schön, Sie mal wiederzusehen. Und Ihr Freund?« Seine spitz zulaufenden Augenbrauen hoben sich, sein eines braunes Auge glitzerte (das andere schielte ein wenig), erwartungsfroh rieb er sich die Hände.
    »Mr. Trueblood.« Plant schätzte, daß Trevor Sly am liebsten so schnell wie möglich zum Du übergegangen wäre.
    »Ein Glas Cairo Flame? Oder lieber das Tangier?« Ein breites Lächeln teilte seine hohlen Wangen. Er braute das Bier selbst, nicht unbedingt, weil er die Kampagne dafür unterstützte, sondern weil es viel billiger war und eine Betätigungsmöglichkeit für seinen nie versiegenden Einfallsreichtum bot.
    »Als ich das letztemal Ihr Cairo Flame getrunken habe, bin ich in Kairo aufgewacht. Nein, bitte ein richtiges«, fügte Melrose hinzu, als Sly ihn verwundert anschaute. »Sie wissen schon, das braune Gebräu mit einer

Weitere Kostenlose Bücher