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Blinder Einsatz

Blinder Einsatz

Titel: Blinder Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Lafani , Gautier Renault
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provozierendem Ton.
    »Was bildest du dir ein? Dass sie sich für einen Typen wie dich interessiert? Schau dich doch mal an!«
    »Und du? Wenn du gleich auf hundertachtzig bist, nur weil man nicht an deiner Freundin vorbeiguckt, musst du ja mächtig Angst haben, dass sie dir wegläuft!«
    »Hast du schon mal in den Spiegel geguckt? Typen wie dich rauche ich in der Pfeife.«
    »Was fällt dir ein? Willst du dich vor deiner Freundin lächerlich machen?«
    »Lächerlich?«
    Es dauerte nicht lange und sie begannen sich zu prügeln. Die junge Frau versuchte noch, ihren Freund zu beruhigen, begriff aber schnell, dass das nichts brachte. Lars verpasste seinem Gegner einen derben Fausthieb, sodass er gegen die Fensterscheibe knallte, als Dankeschön erhielt er einen Fußtritt ins Gesicht. Aus dem benachbarten Abteil eilte ein durch den Lärm aufgeschreckter Fahrgast herbei, dem es gelang, die beiden Kampfhähne zu trennen, nicht ohne selbst ein paar Schläge abzubekommen. Lars blutete aus der Nase, und sein Gegner rieb sich den Kiefer und die rechte Schläfe. Lächerlich gemacht hatten sie sich beide. Das zumindest meinte die junge Frau, als sie an der nächsten Station wütend ausstieg. Ihr Freund, der hinter ihr herrannte, war offensichtlich ziemlich angeschlagen. Lars setzte sich wieder. Er lächelte die ganze Zeit nervös vor sich hin und versuchte, die Blutung zu stillen. Zwanzig Minuten später traf er in Bloemendaal ein. Den Weg zum Haus seiner Eltern kannte er in- und auswendig, jede Fassade, jeden Busch, jeden Stein. Der Anblick beruhigte ihn, er fühlte sich geborgen. Hier konnte ihm nichts geschehen.
    Ein Haus wirkte imposanter als das andere. Große Vorgärten, Eingangstüren aus Eiche, akkurat getrimmte Hecken, Autos, die jeden Samstag gewaschen wurden. Großbürgerlicher Chic eben. Man kannte sich – und hatte den Nachbarn fest im Visier: Jede Neuerung, jeder Unbekannte fiel sofort auf.
    Seine Mutter schrie auf, als sie seine lädierte Nase sah.
    »Liebling, was ist denn mit dir passiert? Bist du überfallen worden?«
    »Aber nein, Mama«, erwiderte er genervt.
    »Sag nicht nein – ich sehe doch, dass du verletzt bist. Und die Narbe an deiner Augenbraue?«
    »Ich sage dir doch, das ist nichts. Ich habe mich mit einem Kumpel geprügelt, Kleinigkeit.«
    Lars versuchte sich von seiner Mutter loszumachen, die seine Verletzungen unbedingt aus der Nähe betrachten wollte.
    »Ach, noch dazu mit einem Freund! Zieh deinen Mantel aus, ich hole Verbandszeug.«
    Lars setzte sich auf die vertraute beigefarbene Couch im Wohnzimmer. Ihr Anblick genügte, und er fühlte sich in seine Kindheit zurückversetzt, spürte seine damalige Unbeschwertheit wieder. Erinnerungen stiegen in ihm hoch. Freudige Momente, aber auch traurige. Eigentlich mochte er es, wenn seine Mutter ihn mit ihrer liebevollen Stimme ausfragte. Sie sorgte sich eben um ihn.
    Doch an jenem Abend wollte es ihm einfach nicht gelingen, die Gelassenheit zu finden, die ihn sonst erfüllte, wenn er seine Eltern besuchte. Lars mied den prüfenden Blick seiner Mutter, die immer wieder aufstand, um nach dem Essen zu sehen. Er hatte nicht die geringste Lust, ihr zu erklären, wie es zu seinen Blessuren gekommen war, oder zu erzählen, wie es an der Uni oder bei der Arbeit lief (seine Mutter dachte, er habe immer noch den Job im Fast-Food-Restaurant) oder was er sonst so machte. Allmählich verlor er die Geduld und ging unter einem Vorwand hinauf in sein altes Zimmer. Dort hatte sich seit seinem Auszug nichts verändert. Es bedrückte ihn, dort die Erinnerungen an seine Kindertage wiederzufinden, als würde sich nie etwas ändern: seine Plüschtiere, seine Medaillen, seine Poster … Seine Mutter hatte nichts verändert, als wolle sie sich hier für immer an die Jahre mit ihrem Sohn erinnern. Lars blieb auf einmal schier die Luft weg. Er bekam Schweißausbrüche.
    »Mist! Was ist bloß los mit mir?«
    Unentwegt dachte er an die Aspectil-Gelkapseln. Der Arzt hatte ihm keine mehr gegeben. Einen Monat lang hatte er sie regelmäßig eingenommen, das war fast zum Reflex geworden. Er begann unkontrolliert zu zittern. Er fühlte nach seinem Puls und stellte fest, dass sein Herz raste. Er lief im Zimmer auf und ab, um sich zu beruhigen, atmete tief aus und ein – umsonst. Seine Mutter rief nach ihm.
    »Ich komme!«
    Er ging ins Badezimmer, um sich ein wenig frisch zu machen. Aufgeregt kramte er in seinen Taschen und fand schließlich im zerrissenen Innenfutter seiner Jacke eine

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