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Blinder Hass

Titel: Blinder Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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handelt, pöbeln die einen mit Sicherheit an. Wenn ein Typ einen anrempelt, zwingt man den Kerl zu Boden, legt die Hand an die Waffe und mustert die Gesichter der Umstehenden, als ob man im nächsten Moment auf jemanden schießen wollte. Man muss denen sofort klarmachen, wer das Sagen hat. Das macht sie wieder nüchtern.«
    »Trotzdem … was war das zweite? Sie haben gesagt, da wären zwei Dinge.«
    »Vielleicht wollte er sich vor jemandem in der Kneipe aufspielen«, sagte Virgil. »Manche Männer meinen, dass diese harte Masche Frauen beeindruckt. Oder hoffen es zumindest.«
    Sie nickte. »Das hab ich schon erlebt. Ich bin nur bei Jim nicht auf die Idee gekommen.« Sie dachte einen Augenblick nach, dann sagte sie: »Es hat mich schon ein bisschen angemacht.«
     
    Als er auf dem Weg zurück zur I-90 im Büro von Judd junior anrief, erreichte er nur eine Mitarbeiterin. Diese sagte, Judd sei gerade zur Tür hinaus, aber sie wolle versuchen, ihn noch zu erwischen. Eine Minute später meldete sich Judd. »Was gibt’s?«
    »Sie haben eine Tante in einem Pflegeheim in Sioux Falls«, sagte Virgil. »Ich bin gerade in der Nähe und dachte, ich fahr mal bei ihr vorbei. Könnten Sie mir bitte sagen, in welchem Heim sie ist?«
    »Was wollen Sie von ihr?«, fragte Judd.
    »Nun ja, hier sind drei Morde geschehen, und die Opfer waren alles ältere Leute. Allmählich frage ich mich, ob der Grund dafür nicht vielleicht viele Jahre zurückliegt«, sagte Virgil. »Deshalb möchte ich mit Leuten reden, die Ihren Vater und die Gleasons schon vor langer Zeit gekannt haben.«
    Judd schien einen Augenblick nachzudenken. »Das ist eine Idee«, sagte er schließlich widerwillig. »Sie ist im Grunewald-Pflegeheim. Das ist nördlich von Sioux Falls, auch noch nördlich der I-90.«
    Virgil versuchte, sich die Wegbeschreibung zu merken, und als das Gespräch beendet war, kam er zu dem Schluss, dass Judd noch nichts von Jesse Laymons Ansprüchen gehört haben konnte. Dafür hatte er sich zu ruhig und sachlich angehört. Er fragte sich, ob Williamson, dessen Tage bei der Zeitung gezählt waren, vorhatte, ihm die schlechte Nachricht wie ein faules Ei unterzujubeln. Ihn unwissend herumlaufen zu lassen, bis jemand sagte: »Ach übrigens, Bill …«
     
    Das Grunewald-Pflegeheim lag auf einem von zwei fast identisch aussehenden Hügeln eine Meile nördlich der I-90 und zehn Meilen westlich der Grenze nach Minnesota. Durch das Tal zwischen den beiden Hügeln führte eine Landstraße. Auf beiden Hügeln gab es einen schönen Baumbestand, und unter den Bäumen befanden sich große Rasenflächen. Auf dem rechten Hügel lag das Grunewald-Pflegeheim, ein breites, kastenförmiges Gebäude, drei Stockwerke hoch und mit weißen Zierstreifen abgesetzt. Auf dem linken Hügel waren gleichmäßig in Reihen angeordnete weiße Steine zu erkennen - ein Friedhof.
    Wie nett, dachte Virgil. So konnten die Grunewald-Bewohner jeden Tag aus dem Fenster in ihre Zukunft sehen. Virgil stellte seinen Wagen auf dem Besucherparkplatz vor dem Heim ab und ging hinein.
    Das Grunewald wurde wie ein Krankenhaus oder ein Hotel geführt, mit einer Rezeption und einem Foyer mit Sesseln. Neben der Rezeption befand sich eine kleine Geschenknische, wo man Süßigkeiten, Softdrinks, Frauen- und Familienzeitschriften und Eis kaufen konnte. An der Rezeption saß eine große schwarze Frau in einem somalisch aussehenden Kleid.
    Sie nickte Virgil zu. Er zog seinen Ausweis hervor, zeigte ihn ihr und fragte, ob er Betsy Carlson besuchen dürfe. Die Frau zog die Augenbrauen hoch und sagte: »Sie bekommt nicht oft Besuch. Da müssen Sie Dr. Burke fragen.«
    Burke war ein viel beschäftigter glatzköpfiger Mann, der in einer Ecke des Flurs, der von der Rezeption abging, sein Büro hatte. Er hörte sich Virgils Geschichte an, dann zuckte er mit den Schultern. »Klar, gehen Sie nur.«
    »In welcher Verfassung ist sie?«
    »Sie ist … geschädigt. Schwer zu sagen, warum. Könnte genetisch bedingt sein, ein Defekt im Gehirn, oder sie könnte Drogen genommen und schlecht darauf reagiert haben, es könnte sogar durch Umweltgifte ausgelöst worden sein. Sie ist auf einer Farm aufgewachsen. In ihrer Jugend gab es auf den Farmen viele üble Chemikalien. Da hat man DDT versprüht, als wär es Regenwasser. Deshalb ist es schwer festzustellen. Sie ist nicht verrückt, sie driftet nur weg. Ihre Erinnerungen sind verworren, aber sie hat sehr viele. Sie war körperlich nie besonders aktiv und ist es nun noch

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