Blinder Hass

Titel: Blinder Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford

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dem Auto ums Leben. Ihm wurde der Schädel zertrümmert. Ich wurde am nächsten Tag geboren. Meine Mutter hat immer gesagt, dass ich ein besonderes Kind war, ein Geschenk Gottes. Es gab einen Todesfall in der Familie und dann ein neues Leben, beides gleichzeitig. Wie sagten Sie noch mal war Ihr Name?«
    Virgil stellte sich noch einmal vor und begann dann, Erinnerungen an Bluestem hervorzurufen, an Bill Judd und ihre Schwester und an die Tage, nachdem ihre Schwester einen Herzinfarkt erlitten hatte.
    Sie erinnerte sich an den Tag, an dem der Herzinfarkt passierte. »Meine Schwester hat immer zu viel getrunken, und dann hat sie sich mit Bill gestritten. Man konnte die beiden im ganzen Haus schreien hören. Meistens ging es um Geld, er hatte welches, wollte es aber nicht ausgeben. An dem Tag, an dem sie den Herzinfarkt bekam, hatte sie auch getrunken, aber sie hat sich nicht mit Bill gestritten. Es fing damit an, dass ihr morgens schlecht war, und sie dachte, sie hätte vielleicht am Abend zuvor zu viel getrunken. Jedenfalls beschloss sie, im Wohnzimmer ein paar Möbel umzustellen, und wir haben Sofas und Sessel umhergeschoben und sogar das alte Klavier, und als wir fast fertig waren, schreit sie plötzlich: ›Allmächtiger Gott‹, und bricht zusammen. Ich frag sie, was sie hat, und sie sagt: ›Ich hab solche Schmerzen, Betsy, ich hab solche Schmerzen. Hol den Arzt, hol den Arzt.‹ Also bin ich losgelaufen und hab den Arzt geholt.«
    »Dr. Gleason?«
    Ihre Augen bekamen einen abwesenden Ausdruck, und sie wirkte verwirrt, dann sagte sie: »Ich glaube nicht Dr. Gleason. Ich glaube nicht, dass wir damals zu Dr. Gleason gegangen sind. Zu ihm sind wir erst später gegangen.«
    »Können Sie sich an den Arzt erinnern?«
    »Eben ja, aber dann haben Sie Gleason gesagt, und das hat mich abgelenkt … Ich, äh, ich kann mich nicht erinnern.«
    Sie konnte sich jedoch an Miststreuer erinnern und an die seltsamen Dinge, die damit passieren konnten; an das Einmachen von Tomaten und wie sich alles veränderte, als die Gefriertruhen aufkamen. Sie erinnerte sich, wie sie mit ihrer Schwester Klavier gespielt hatte und an die Hochzeit ihrer Schwester mit Bill Judd.
    »Christlich-Lutherische Kirche. Ich war eine der Brautjungfern. Alle Brautjungfern haben gelbe Kleider getragen und hatten Sträuße aus gelben Rosen in der Hand. Aber Bill Judd … Er war ein schlechter Mensch. Er war schon als Junge schlecht. Er hat gestohlen, und dann hat er gelogen und anderen Kindern Ärger gemacht. Wissen Sie, was er gestohlen hat?«
    »Nein«, sagte Virgil.
    »Geld. Er war nicht wie andere Kinder, die vielleicht jemandem ein Spielzeug oder Süßigkeiten oder sonst was gestohlen haben. Wenn er bei einem zu Hause war, hat er immer geguckt, ob irgendwo Kleingeld herumlag. Meine Mutter hat ihn genau im Auge behalten, nachdem sie das bemerkt hatte. Er war von frühester Kindheit an schlecht.«
    Tränen flossen ihr die Wangen hinunter. »Als meine Schwester starb, gab es nichts als Ärger. Bill war alles ganz egal. Sie hat ihn immer gebremst, aber nachdem sie tot war, konnte ihn nichts mehr bremsen.«
    Sie fing an zu weinen, und eine Schwester kam mit fragender Miene auf sie zu.
    »Alles okay?«, fragte Virgil.
    »Bill hat schlimme Dinge getan, schlimme Dinge«, sagte sie. Ihre Augen wurden ein wenig klarer, und sie fügte hinzu: »Männer taugen zu verdammt gar nichts.«
    »Ich möchte Sie ja nicht aufregen«, sagte Virgil, »aber ich versuche herauszufinden, wer Bill Judd damals schon gehasst haben könnte. Und Russell Gleason …«
    »Alles in Ordnung?«, fragte die Schwester.
    »Sie hat sich ein bisschen aufgeregt«, sagte Virgil.
    »Sie ist spät dran mit ihrem Nickerchen«, erklärte die Schwester.
    Betsy Carlson sah Virgil an. »Russell Gleason war wegen des Mannes im Mond da. Darum ging’s, um den Mann im Mond. Bill hat etwas Furchtbares getan, und wir alle wussten es. Russell wusste es auch. Jerry ebenfalls. Jerry hat es gewusst.«
    »Wer ist Jerry?«
    Sie brach in ein ersticktes Schluchzen aus, und ihr ganzer Körper bebte. Die Schwester sagte: »Ich glaube, Sie sollten jetzt aufhören, mit ihr zu reden. Das tut ihr nicht gut.«
    »Ich wollte nur …«
    »Sie bringen sie ganz durcheinander«, sagte die Schwester. Und an Carlson gewandt: »Schon gut, Betsy. Der Mann geht jetzt. Es ist alles gut. Ich hole Ihnen ein Milky Way, und dann machen wir ein Nickerchen. Ich hole Ihnen nur ein Milky Way.«
    »Nein, nicht Milky Way, nicht die