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Blinder Hass

Titel: Blinder Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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weniger, deshalb funktionieren ihre Beine nicht mehr so gut. Tja, so ist das eben.«
    Darauf rief Burke die Somalierin an der Rezeption an und bat sie, jemanden zu schicken, der Virgil begleiten würde, dann lächelte er und wünschte Virgil viel Glück.
    Virgils Begleitung war eine Krankenschwester mittleren Alters mit immer noch roten Bäckchen. Sie hatte einen Müllbeutel dabei, in dem irgendetwas war, was Virgil gar nicht wissen wollte. Sie passierten mehrere verschlossene Türen. »Sind hier alle eingesperrt?«, fragte Virgil.
    »Nein. Wir haben einen abgeschlossenen Bereich für Alzheimer-Patienten, weil die dazu neigen herumzuirren, und die jüngeren von ihnen können ziemlich aggressiv sein. Aber diese Türen«, sie zeigte mit dem Daumen nach hinten zu den Türen, durch die sie gerade gekommen waren, »sind nur in eine Richtung verschlossen, um Unbefugte fernzuhalten. Vor Jahren, bevor wir angefangen haben, die Türen abzuschließen, kam häufig ein sehr netter Mann hierher. Er tauchte alle paar Tage auf. Schließlich stellte sich heraus, dass er einige unserer Bewohnerinnen sexuell belästigt hat.«
    »Netter Kerl.«
    »Als uns der Verdacht kam, dass da irgendwas nicht stimmte, haben wir ein paar Videokameras installiert und ihn dabei erwischt.« Sie lächelte Virgil fröhlich an. »Zwei von den Pflegern aus dem Alzheimer-Bereich haben ihn in die Eingangshalle gebracht, damit die Polizei ihn festnehmen konnte. Auf dem Weg dorthin hat er sich dummerweise gewehrt und die Pfleger angegriffen, deshalb wurde er ein bisschen vermöbelt, bevor sie mit ihm in der Eingangshalle waren. Der wird nicht mehr wiederkommen, selbst wenn er aus dem Gefängnis entlassen wird.«
    »Macht einen wütend, wenn sich solche Knaben wehren«, sagte Virgil.
    »Ja, das ist ein ganz schlechtes Benehmen«, stimmte sie zu.
     
    Die Krankenschwester entdeckte Betsy Carlson in einem Sessel gegenüber einem Fernseher, auf dem ein Mann zu sehen war, der Zwiebeln und Kohl mit den schärfsten Messern der Welt hackte, die garantiert niemals stumpf wurden. »Da ist sie«, sagte die Schwester. Sie legte Virgil eine Hand auf den Arm. »Sie kann ein bisschen schwierig sein, deshalb ist es das Beste, man geht sanft mit ihr um. Wenn man sie zu sehr bedrängt, wird sie stur.«
    »Dr. Burke hat gesagt, ihr Gedächtnis funktioniert nicht mehr so richtig.«
    »Das stimmt, doch bei Erinnerungen, die weit zurückliegen, geht es meist besser. Sie weiß zwar nicht, welchen Tag wir heute haben, aber sie kann Ihnen sagen, was sie 1962 getan hat. Und das erzählt sie einem gern. Ach ja, da ist noch etwas. Manchmal hat sie … Halluzinationen. Dann sieht sie Ungeziefer in ihrem Essen.«
    »Und da ist nichts?«
    » Also bitte . Und nicht nur Ungeziefer, sie sieht auch Menschen. Beispielsweise sieht sie in den Knoten im Holz die Gesichter von Leuten. Wir haben alle schreckliche Angst davor, dass sie eines Tages in irgendeinem Rostfleck die Jungfrau Maria sieht und wir plötzlich zehntausend Pilger auf dem Rasen stehen haben.« Sie hielt inne. »Sie wird sich sicher freuen, Sie zu sehen«, sagte sie dann. »Aber sie wird ständig Ihren Namen vergessen und immer wieder danach fragen.«
     
    Betsy Carlson saß in eine Wolldecke eingemummelt in ihrem Sessel. Sie musste einst eine schöne Frau gewesen sein, mit hohen Wangenknochen, einem wohlgeformten ovalen Gesicht und reiner, zarter Haut, die allerdings jetzt von Tausenden winziger Falten zerfurcht war. Ihre Haare waren kurz geschnitten, und ihre hellbraunen Augen wirkten friedlich, aber leicht glasig. Sie lächelte reflexartig, als Virgil sich neben sie setzte.
    »Betsy, Sie haben Besuch«, sagte die Schwester.
    Sie starrte Virgil einen Moment lang verständnislos an, dann runzelte sie die Stirn und fragte: »Wer sind Sie?«
    »Virgil Flowers. Ich komme von der Polizei in Minnesota.«
    »Ich hab nichts getan«, sagte sie. »Ich war die ganze Zeit hier.«
    »Das wissen wir«, sagte Virgil. Die Schwester nickte ihm zu und verschwand dann mit ihrem Müllbeutel. »Ich möchte mit Ihnen über Bluestem reden und über einige Dinge, die dort passiert sind.«
    »Bluestem. 1886 von der Chicago and Northwestern Railway gegründet. Mein Urgroßvater gehörte zu den ersten Siedlern. Amos Carlson. Sein Vater hat bei dem großen Aufstand gegen die Indianer gekämpft. Mein Vater hat zweihundertsechzig Hektar im Stafford Township besessen, das beste Land im ganzen Stark County. Er kam bei einem Schneesturm auf der County Road 16 mit

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