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Blinder Hass

Titel: Blinder Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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dort der Mond kam? Mit dem Gesicht zum Mond, aber ohne ihn sehen zu dürfen?
    Verrückte Überlegungen.
    Bevor er einschlief, dachte Homer über die Schüsse am Nachmittag nach. Unheimlich, aber der Kerl hatte ihn verfehlt. Hätte viel näher herankommen können … Hatte der Schütze die Absicht gehabt, ihn zu töten, oder wollte er ihm nur Angst einjagen? Und wenn er ihm nur Angst einjagen wollte, warum?
    Virgil legte sich in der Hoffnung schlafen, dass Homer eine Idee haben würde, weil Virgil selbst im Augenblick überhaupt keine hatte.
    Er schlief ein und träumte von Joanie Stryker auf dem Felsen am Pool …

ZWÖLF
    Virgil öffnete die Augen. Es war taghell.
    Er fühlte sich gut, nur ein bisschen steif, weil er auf dem Fußboden geschlafen hatte.
    Aus Besorgnis wegen des Schützen hatte er die Kissen von der Couch genommen, sie hinter dem Bett auf den Boden geworfen und die Pistole direkt neben seine Hand unter das Bett gelegt. Ihm hatte die Vorstellung nicht behagt, die ganze Nacht neben einer Glasschiebetür zu schlafen. Joan war bei ihrer Mutter. Es hatte keinen Sinn, ein Risiko einzugehen.
    Aber er fühlte sich trotzdem gut. Es tat sich was, und er war noch am Leben.
    Auch dass er nach dem langen nackten Zwischenspiel im Pool keinen Sex mit Joan gehabt hatte, konnte diesem Gefühl keinen Abbruch tun. Er hatte Joan zu überreden versucht, sich durch die Glastür ins Holiday Inn zu schleichen, doch sie hatte abgelehnt. »Jeder in der Stadt würde Bescheid wissen, noch bevor du die Gardinen zugezogen hast. Heimlich Sex zu haben, ist ja okay, aber es muss schon wirklich heimlich sein.«
    »Ah.«
    »Wie wär’s bei mir?«, fragte sie. »Du könnest in einer halben Stunde rüberkommen.«
    »Ich möchte nicht, dass du diese Nacht zu dir gehst. Ich hatte schon an … deine Mutter gedacht. Da wärst du ganz in der Nähe, aber dort würde er dich wohl nicht erwarten. Es wäre jedoch durchaus denkbar, dass er uns bei dir auflauert.«
    »Bei meiner Mom werden wir aber jedenfalls nichts tun.«
    Damit hatte sich das erledigt.
    Drei Blocks von Mom entfernt saßen sie kurz darauf im Auto und befummelten sich wie Teenager, bevor er sie dort absetzte.
    Und wachte nun auf und fühlte sich trotzdem gut. Vielleicht sollte er mal eine Pause von den Jäger- und Anglermagazinen machen und stattdessen was für Vanity Fair schreiben. »Gewalt: das neue Aphrodisiakum«. Aber das stimmte ja gar nicht. Gewalt war, soweit er wusste, immer ein Aphrodisiakum gewesen. Sie hatte etwas Primitives an sich.
    Vielleicht hätten sie ja noch eine Weile in der Scheune bleiben sollen, überlegte er, auf dem Heuboden.
    In seiner Teenagerzeit kursierten in den Umkleideräumen Geschichten, von denen die eine oder andere vielleicht sogar wahr war, zum Beispiel, wie jemand die Farmerstochter auf den Heuboden gekriegt hatte. Sein bester Freund Otis Ericson hatte behauptet, er hätte seine Cousine Shirley, die auf der Highschool in ihrer Klasse war und bereits im achten Schuljahr Titten bis zum Gehtnichtmehr hatte, aufs Kreuz gelegt.
    Der angebliche Beischläfer hatte Virgil außerdem vor Schnittverletzungen und Ausschlägen gewarnt, die man sich im Heu holen konnte, doch das hatte Virgil lediglich als Versuch angesehen, der Sache mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen. »Und du musst höllisch aufpassen, dass sie kein Heu in ihre Fotze kriegt. Dann jammert und meckert sie’ne ganze Woche lang rum. Nimm lieber’ne Decke mit.«
    Die Vorstellung, dass Otis Ericson Shirley tatsächlich nackt auf dem Heuboden gehabt haben könnte, hatte ihn damals ziemlich angemacht und tat es immer noch ein bisschen. Als er Shirley allerdings das letzte Mal gesehen hatte, war sie etwas aus dem Leim gegangen.
    Immer noch auf dem Boden liegend, sah er auf seine Uhr. Schon acht. Er warf die Kissen wieder auf die Couch, gähnte und streckte sich, machte seine üblichen Sit-ups und Liegestütze, wusch sich und rief Davenport an.
    »Schon wieder zu früh«, sagte Davenport.
    »Man hat gestern Abend auf mich geschossen«, sagte Virgil.
    »Virgil! Alles okay?«
    »Hat mir nur ziemliche Angst eingejagt«, erwiderte Virgil. »Der Schütze war nicht sehr gut. Gewehr mit Zielfernrohr. Ich war bei einer Bekannten auf der Farm. Er hat mich etwa um einen halben Meter verfehlt, und ich war nicht sehr schnell.«
    »Sagen Sie mir bitte, dass Sie Ihre Waffe dabeihatten«, sagte Davenport.
    »Hatte ich. Hab ihn wegrennen sehen und sieben Schüsse auf eine Entfernung von etwa vierhundert Metern

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