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Blinder Hass

Titel: Blinder Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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wollte er vorschlagen, die Position zu ändern, da sah er oben am Hang, oberhalb des Pool-Zuflusses, etwas aufblitzen.
    Erst dachte er, es könnte ein Tropfen auf einer Wimper sein, die Brechung des Lichts in einem Wasserspritzer oder sonst etwas, doch dann sah er es erneut. Er drückte Joans Kopf unter Wasser, tauchte selbst unter, packte sie am Arm und zog sie hinüber zum Pool-Zufluss. Sie wehrte sich, doch er zog heftig, bis er die östliche Felswand spürte, und dann tauchten sie beide auf. »Virgil, was machst du da?«, schrie sie leicht verängstigt und schüttelte Wasser aus ihrem Gesicht.
    Virgil schob sie gegen die Wand und sagte mit eindringlicher Stimme: »Über uns auf dem Hügel ist jemand. Ich habe die Spiegelung von Glas oder von einem Objektiv gesehen …«
    Sie drehte sich um, um selbst nachzusehen, doch sie waren so dicht am Felsen, dass man nicht nach oben blicken konnte. »Was?«
    »Jemand ist oben auf dem Hügel.«
    »Mit einer Kamera?«
    »Könnte eine Kamera sein«, sagte Virgil.
    »Was sonst?«
    »Könnte auch ein Fernrohr sein«, sagte er. »Wenn einen jemand mit einem Fernglas beobachtet, kann man normalerweise die Arme sehen.«
    Sie starrte ihn schockiert an, dann sah sie zu der Stelle, wo sie ihre Sachen ausgezogen hatten. »O Gott.«
    »Yeah.«
    »Bist du sicher?«, fragte sie und reckte den Hals, um doch nach oben schauen zu können.
    »Ich hab es zweimal gesehen.« Er blickte ebenfalls zu ihren Sachen hinüber, dann sagte er: »Ich möchte, dass du hierbleibst. Ich schwimme unter Wasser bis zu dieser kleinen Nische im Pool da drüben und klettere dort ganz schnell hinaus. Ich glaube nicht … Er ist mindestens zweihundert Meter entfernt, vielleicht sogar dreihundert. Wenn ich mich rasch bewege, wird er mich wohl nicht treffen. Und wenn ich erst mal aus dem Wasser raus bin, komme ich auch an unsere Kleider und an meine Pistole.«
    »Ich dachte …«
    »Ich hab sie seit heute dabei … Erzähl ich dir später. Also, du bleibst hier, ich gehe.«
    Er holte zweimal tief Luft, dann tauchte er dicht an der Wand nach unten. Er musste ganz tief hinunter, weil das Wasser sehr klar war. Als er auf dem Boden ankam, orientierte er sich kurz und stieß sich von der Wand ab. Bleib nur ja tief unten, schärfte er sich immer wieder ein, spürte, wie der Boden abfiel, war etwas vom Kurs abgekommen, als er auftauchte, bewegte sich mit raschen Zügen auf die Nische zu, hatte sie auch schon fast erreicht, war schon fast drin, als etwas gegen die Wand rechts von ihm knallte. Er rutschte mit einer Hand ab, als er sich in die Nische ziehen wollte, und ging unter, bewegte sich ruckartig wieder vorwärts, rutschte noch mal ab, dann war er drin. Alles tat ihm weh. Er hörte den Knall eines Gewehrschusses, zog sich an den Rändern der Nische hoch, riss sich dabei die Haut an den Knien auf und kroch hinter die Felswand. Die Waffe lag zwei Meter von ihm entfernt.
    »Virgil, er schießt!«, brüllte Joan. »Virgil!«
    Nicht getroffen, dachte er. Alles funktionierte noch. Er blickte zu der Wand, wo die Kugel eingeschlagen war, und sah den hellen Fleck - einen halben Meter über der Stelle, wo sein Kopf gewesen war. Nicht sehr nah, aber nah genug, um ihm Angst zu machen.
    »Alles okay«, rief er zu Joan hinüber. »Bleib da.« Er fing an zu zählen. Eine Minute, eine Minute und dreißig Sekunden. Joan machte eine fragende Geste, und er hob einen Finger: Warte. Zwei Minuten …
     
    Wenn er oben im Norden Rotwild jagte und einen Bock zwischen den Bäumen hindurchstreifen sah, konnte er sich auf jeden Schuss, der sich ihm bot, ein bis zwei Minuten konzentrieren. Danach ließ die Konzentration nach. Er hatte sich angewöhnt zu warten, bis der Hirsch genau in der Schusslinie stand, dann erst fing er an, sich zu konzentrieren, weil zwei Minuten eine lange Zeit waren, um sich auf einen Schuss zu konzentrieren. Zwei Minuten, zwanzig Sekunden. Er drückte sich an die Wand, überlegte, wo genau seine Pistole lag, sagte zu sich: Los jetzt, und lief los.
    Zwei Meter hin, halbe Sekunde, die Waffe nehmen, zwei Meter zurück. Die nächste Kugel war den Bruchteil einer Sekunde zu langsam, schlug einen Meter von ihm entfernt gegen den Felsen und war wieder zu hoch.
    Er stand mit der Waffe in der Hand da und wartete, streckte eine halbe Sekunde den Kopf vor und zog ihn wieder zurück. Ließ sich auf die Knie sinken, streckte den Kopf wieder vor, sah eine Bewegung. Wie ein Bär. Jemand in dunkler Kleidung war in der Nähe des

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