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Blinder Hass

Titel: Blinder Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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weiter. Da die Steuerberaterin an den Unterlagen arbeitete, hatte er bis vier Uhr nichts zu tun, und dann hatte er sein Date, und dieses Date würde ihm bei den Ermittlungen nicht weiterhelfen. Ziellos in der Stadt herumzuschlendern, würde ihm allerdings auch nicht viel bringen.
    Zeit, mit Judd zu reden? Und sich weitere Leute anzusehen, deren Namen er notiert hatte? Wie Suzanne Reynolds, das übergewichtige Exgroupie.
    Zuerst Judd.
     
    Er fuhr in die Innenstadt. An der SuperAmerica-Tankstelle winkte ihm ein Mann zu, der gerade seinen Truck auftankte, und Virgil winkte zurück. Parkte vor der Great Plains Bank & Trust, betrachtete einen Red-Wing-Keramikkrug im Schaufenster eines Antiquitätenladens und spazierte zum Büro von Judd junior.
    Das Büro war ein Spiegelbild des Büros seines Vaters, das gleiche, finanzielle Flaute signalisierende dunkle Holz, eine Sekretärin an einem Schreibtisch hinter einer Brüstung und zwei Holzstühle, auf denen Besucher warten konnten.
    »Mr. Flowers«, sagte die Sekretärin. »Ich werde nachsehen, ob Mr. Judd Zeit hat.« Die Tür zu Judds Büro stand offen. Sie steckte den Kopf hinein und sagte: »Mr. Flowers ist hier.«
    »Schicken Sie ihn rein«, sagte Judd.
    Judd hatte eine Lesebrille mit halben Gläsern auf der Nase und blickte in eine ausgedruckte Tabelle. Dann faltete er das Blatt zusammen, schob es auf eine Seite seines Schreibtischs und deutete auf einen Stuhl. »Sind Sie weitergekommen?«, fragte er.
    »Ein bisschen schon«, antwortete Virgil. »Ich kann Ihnen zwar nicht sagen, woher ich das weiß, aber ich kann Ihnen versichern, dass ich irgendjemanden nervös gemacht habe.«
    »Das ist gut«, sagte Judd. »Das ist zumindest etwas.«
    »Ich möchte Sie etwas fragen. Ich weiß nicht, inwieweit Sie sich schon einen Überblick über die Finanzlage Ihres Vaters verschafft haben …«
    »Die Jesse-Laymon-Geschichte wird mir ganz schön zusetzen. Das kann ich Ihnen versichern«, sagte Judd.
    »Das ist ein anderes Thema …«
    »Nun ja, ich meine, man sollte sich schon fragen, ob sie ein Interesse daran hatte, dass der alte Herr verschwindet«, sagte Judd.
    »Dem wird nachgegangen.«
    »Vom Sheriff persönlich, wie ich gehört habe.«
    »Von mir«, sagte Virgil. »Aber wie dem auch sei, wo hat Ihr Vater das Geld aus dem Geschäft mit der Jerusalem-Artischocke versteckt?«
    Judd starrte ihn einen Moment lang an, dann fing er bellend an zu lachen. »Virgil, da ist kein Geld. Es gibt kein geheimes Konto. Soweit ich weiß, war da von Anfang an nicht viel, und Sie können mir glauben, einige sehr scharfe Ermittler vom Staat und vom Finanzamt haben alles unter die Lupe genommen, was sie finden konnten. Da ist nichts.«
    »Sind Sie sicher?«
    Judd trommelte ein paarmal mit den Fingern auf dem Schreibtisch herum, dann seufzte er. »Hören Sie, wie soll man da sicher sein? Mein Vater ist in Armut aufgewachsen, und er war ein abgebrühter Dreckskerl. Er hat noch die Weltwirtschaftskrise erlebt und später sein Glück gemacht. Also kann es durchaus sein, dass er irgendwo Geld versteckt hat, falls es welches zu verstecken gab. Aber wenn das der Fall war, hätte er es keiner Menschenseele verraten. Ich meine, wenn er Geld aus dieser Geschichte beiseitegeschafft hätte, wäre das ein Verbrechen gewesen, und da wäre er kein Risiko eingegangen.«
    »Aber dann wäre das Geld doch verloren gegangen …«
    Judd fuchtelte mit dem Finger vor ihm herum. »Nicht, wenn man es eines Tages gebraucht hätte. Wie bei all den Leuten, die reich sterben. Mal angenommen, er hatte ein Konto in Panama oder sonst wo, hat das Geld in Papiere aus Übersee investiert. Das Geld würde sich vermehren, und falls er es je brauchte, könnte er drankommen. Er hat es nur nie gebraucht.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Bin ich nicht. Ich bin mir in dieser Sache mit überhaupt nichts sicher. Ich glaube allerdings, dass da nie Geld war. Sie verschwenden Ihre Zeit, wenn Sie danach suchen. Und falls ihn jemand umgebracht hat, um an das Geld zu kommen, dann war der Mord auch reine Zeitverschwendung. Es gibt keinen Geldspeicher wie bei Onkel Dagobert.«
     
    Sie unterhielten sich noch ein paar Minuten, dann war Virgil wieder auf der Straße. Er schlug die Adresse von Suzanne Reynolds in seinem Notizbuch nach und fuhr mit dem Truck dorthin. Dachte weiter über Judd nach. Und wer war noch mal Onkel Dagobert?
     
    Reynolds kam zur Haustür und sah blinzelnd in die Sonne. Sie hatte entweder gedöst oder ferngesehen. Ihr fülliges

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