Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Blinder Hass

Titel: Blinder Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
Vom Netzwerk:
Auto abgestellt hatten. »Hier oben sind zu viele spitze Steine, da macht man sich die Reifen kaputt«, sagte sie. »Nimm du die Pizza. Ich trag die Decke und die Kühlbox.«
    Dann führte sie ihn den Hügel hinauf bis zu einer Gesteinsformation, die beinahe wie ein erodiertes Schloss aussah, ein natürliches Amphitheater im roten Quarzfels, ganz oben auf dem Hügel. Sie fanden einen Platz, wo das Gras nicht so hoch war, im Schatten einiger wilder Pflaumenbäume, und breiteten die Decke aus. Virgil lehnte die Schrotflinte gegen einen der Bäume.
    »Jetzt brauch ich ein Stück Pizza«, sagte er. »Und ein Bier. Es ist ziemlich heiß hier.«
    »Nimm dir ein Bier. Dann zeig ich dir den flachen Stein. Leg die Pizza auf dem Felsen in die Sonne, da bleibt sie warm.«
     
    Er folgte ihr quer über den Hang bis zu einer schmalen roten Felsplatte, sechs Meter lang und knapp zwei Meter breit, die nach Süden hin leicht abfiel. Virgil erinnerte sie an eine Schultafel, und Joan sagte: »Sieh genauer hin.«
    Er sah hin, bemerkte aber erst mal nichts. Dann sah er den Abdruck einer Hand, einer kleinen Hand, wahrscheinlich von einer Frau, dann noch eine und noch eine. Außerdem einen Pfeil wie aus einem Cartoon mit Spitze und befiedertem Schaft, eine Schildkröte, einen Mann mit Hörnern, dann noch mehr Hände sowie Kreise und Quadrate aus Dingen, die er nicht erkannte.
    »Petroglyphen«, sagte Joan. »Mit einem Stein in den Felsen geritzt. Irgendwo zwischen dreihundert und tausend Jahren alt. Es gibt noch ältere in Jeffers, aber die hier sind auch ziemlich alt.«
    »Meine Güte … Joanie.« Virgil war fasziniert. Er hockte sich auf Hände und Knie und kroch um die Felsplatte herum. »Wie viele Leute wissen davon?«
    »Die Leute von der Historischen Gesellschaft und Leute, die sich für Petroglyphen interessieren und keinen Mist damit machen. Mein Großvater hat einem Reporter erzählt, dass hier mal ein Steinkreis gestanden hat, nicht aus diesem roten Quarzfelsen, sondern die sahen aus wie Gletscher- oder Flusssteine. Sie waren wie eine Uhr um die Felsplatte aufgestellt gewesen, und auf jedem Stein war ein Symbol. Sie wurden im Laufe der Jahre gestohlen. Keiner weiß, wo sie jetzt sind. Vermutlich in irgendeinem großen Museum oder bei einem Innenraumgestalter in Manhattan oder sonst wo.«
    »Sieh dir das an.« Er deutete auf eine Zeichnung. »Das sieht aus wie ein Elch. Hat es hier Elche gegeben?«
    »Angeblich ja. Dort in der Ecke sind drei Büffel.«
    »Das wär was für einen Zeitschriftenartikel«, sagte Virgil schließlich. »Etwas über Jagen in den Great Plains zur Zeit der Indianer. Man müsste viele Fotos machen, sie mit Photoshop bearbeiten und dazu eine Geschichte schreiben.«
    »Lass das hier in Frieden«, sagte Joan und schüttelte den Kopf. »Es ist schön zu wissen, dass es da ist und sich weder Zeitschriften noch Fernsehen darum kümmern.«
     
    Sie setzten sich unter die Pflaumenbäume und unterhielten sich, aßen Pizza, tranken Bier und beobachteten, wie die Gewitterwolken von weißen Kugeln zu großen rosaroten Ambosswolken anschwollen, während die Sonne allmählich unterging. Joan fing an zu reden.
    »Ich habe letzte Nacht über uns nachgedacht, und ich glaube nicht, dass zwischen uns eine echte Beziehung besteht. Du bist für mich der Mann für den Übergang. Du bist der Mann, der mich zurück ins Leben holt und dann verschwindet.«
    »Wieso verschwinde ich?« Virgil lag auf der Decke, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, fühlte sich träge und widersprach ihr nicht.
    »Weil du das tun wirst«, sagte sie. »Wir würden es ungefähr so lange ernst miteinander meinen, wie wir eine von unseren diversen Ehen ernst genommen haben. Du bist ein guter Kerl, aber du hast deine Probleme, Virgil. Du manipulierst, das spüre ich, auch wenn mir nicht klar ist, wie du es machst. Das würde mich irgendwann in den Wahnsinn treiben. Außerdem hab ich das Gefühl, dass du allein ganz glücklich bist.«
    »Das hört sich aber nicht gut an«, sagte er.
    »Nun ja, du musst dir halt darüber klar werden, was du willst«, erwiderte sie. »Ich will dich ja nicht loswerden, ich will nur sagen …«
    »… dass das mit uns nichts für die Ewigkeit ist.«
    »Ganz sicher nicht«, stimmte sie zu. »Aber der Sex war super. Ich konnte mich gar nicht mehr erinnern, wie viel Spaß mir das früher gemacht hat. Mein Mann … ach, ich weiß nicht. Es wurde einfach nur langweilig. Er hat sich mehr fürs Golfspielen als für sein Eheleben

Weitere Kostenlose Bücher