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Blinder Hass

Titel: Blinder Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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auf ihre Häuser und Farmen aufgenommen und alles bis auf den letzten Cent verloren. Und das waren viele Leute. In den achtziger Jahren, wenn man da seine Farm verlor, landete man irgendwo als Arbeiter in einer Fleischfabrik, oder man ging in die Twin Cities und machte Nachtschicht in einem Montagewerk, für fünf Dollar die Stunde. Davon kann man nicht mal seine Kinder ernähren. Das könnte einen immer noch verfolgen. Dafür könnte man sich rächen wollen.«
    »Meinen Sie?«
    Sie nickte. »Wir Mädels … wir haben nur gespielt. Das waren die Sixties, und alle haben gespielt. Aber diese Artischockengeschichte … die hat echt einen wahnsinnigen, tierischen Hass ausgelöst. Manche Leute hätten Judd am liebsten aufgehängt, wenn sie ungestraft davongekommen wären, und das ist kein Witz. Er konnte froh sein, dass er das überlebt hat. Man konnte die Leute darüber reden hören, dass sie am liebsten ihr Jagdgewehr nehmen und ihn über den Haufen schießen würden. Und das in aller Öffentlichkeit, im Café.« Sie hielt einen Moment inne. Virgil beobachtete sie aufmerksam, dann fuhr sie fort: »Und das Schlimmste war, dass Bill über die Leute gelacht hat. ›Pech gehabt, ihr Loser‹, das war seine Einstellung. Er lachte über sie, und da gab es kleine Kinder, die mussten Schmalzbrote essen. Schmalzbrote .«
     
    Um halb vier war er wieder im Motel. Während er sich wusch, musste er an Reynolds in ihrem düsteren Wohnzimmer mit ihren Fritten denken und an Schmalzbrote. Sie war mal ein hübsches Mädchen gewesen, hatte man ihm erzählt.
    Um vier Uhr traf er Joan. Sie fuhren bei Johnnie’s Pizza vorbei und stellten fest, dass sie sich auf Wurst, Pilze und Salami einigen konnten und darüber, dass Anchovis echt widerlich waren. »Bisschen unheimlich, wieder zur Farm zu fahren«, sagte Virgil, als sie die Stadt verließen. »Guck ab und zu nach hinten, ob uns jemand verfolgt.«
    »Hier draußen braucht einen niemand zu verfolgen«, erwiderte sie. »Wenn jemand Joan Carson auf dieser Straße aus der Stadt fahren sieht, kann er zu fünfundneunzig Prozent sicher sein, dass sie zur Farm fährt. Hier draußen ist nämlich sonst nicht viel.«
    »Daran hab ich nicht gedacht«, sagte er.
    »Im Übrigen fahren wir gar nicht zur Farm«, erklärte sie. »Wir fahren auf den Hügel dahinter. Da ist es auf seine Art genauso schön wie in der Schlucht, und ich möchte sehen, von wo aus dieser Kerl auf uns geschossen hat.«
    »Da war ich schon«, sagte Virgil. »Als Erstes heute Morgen.«
    »Ach ja?«
    »Dort wurde geschossen , Joanie. Ich musste mir das ansehen«, sagte Virgil. »Hab aber nichts gefunden.«
    »Warst du an dem flachen Stein?«, fragte sie.
    »Welchem flachen Stein?«
    »Ah, dann warst du also nicht an dem flachen Stein.« Sie gab sich sehr geheimnisvoll.
     
    Sie fuhren an der Farm vorbei, folgten der Straße um den Hügel herum und fuhren dann auf der Rückseite den Hang hinauf bis dorthin, wo der Schütze ausgestiegen und wo Virgil am Morgen gewesen war. Joan betrachtete die Stelle, an der der Mann seinen Wagen versteckt hatte. Dann nahm Virgil die Schrotflinte hinten aus dem Truck und führte Joan die nur noch schwach im Gras erkennbare Fußspur entlang zu dem Baumstumpf, von wo aus der Schütze geschossen hatte. Es war sehr warm geworden, die Luftfeuchtigkeit nahm immer mehr zu, und weit im Südwesten konnten sie die ersten bauschigen weißen Wolken sehen, die sich schon bald in Gewitterwolken verwandeln würden. Überall roch es nach warmem Präriegras.
    »Anscheinend kannte er den Hügel doch nicht so gut«, sagte Joan, nachdem sie gesehen hatte, von wo die Schüsse abgegeben worden waren. Sie zeigte links von sich den Hang hinunter. »Da unten ist eine Stelle, von der aus man auch in die Schlucht kommt. Von dort schleichen sich die Kids ein, wenn sie zum Pool wollen. Da kann man auch gut unbemerkt parken. Man kommt dann von der Seite her in die Schlucht, durch eine sehr enge Felsspalte. Da hätten wir ihn niemals gesehen. Und er wäre direkt über uns gewesen.«
    »Also hat er in zweifacher Hinsicht Mist gebaut«, sagte Virgil. »Ich hab mich schon gefragt, ob er uns absichtlich verfehlt hat, aber ich verstehe nicht, warum er das hätte tun sollen. Und so weit war er schließlich nicht weg. Wenn er uns absichtlich verfehlt hat, hat er allerdings ein gefährliches Spiel gespielt.«
    Sie sahen sich noch eine Weile um, dann gingen sie zum Truck zurück. Joanie zeigte auf das Gestrüpp, in dessen Schatten sie das

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