Blinder Instinkt - Psychothriller
glauben sollte. Und das machte ihn fertig.
Er passierte ein gelbes Ortsschild, auf dem Pennigsahl stand. Er drosselte das Tempo, da ihn das Navi aufforderte, demnächst rechts abzubiegen. Max fuhr rasant in eine schmale Straße und wäre beinahe mit einem Monstrum von Traktor kollidiert, der auf stählernen Zinken einen runden Heuballen transportierte. Die Zinken stachen vorn durch den Ballen und befanden sich kaum noch einen halben Meter von seinem Wagen entfernt, als er ihn zum Stehen brachte.
Der Traktor blockierte die Straße. Wegen des Strohballens konnte Paul den Fahrer nicht sehen. Er hämmerte auf die Hupe, damit der den Weg freigab. Stattdessen ließ der sein Gefährt stehen, stieg aus und kam auf Paul zu. Ein älterer Mann mit dickem Bauch und ebensolchen Armen. Er wirkte zornig.
»Geht’s Ihnen noch gut?«, schnauzte der Landwirt Paul an, der die Scheibe runtergelassen hatte.
»Polizei!«, blaffte er zurück. »Machen Sie den Weg frei, wir sind im Einsatz.«
Der dicke Mann blieb an der Motorhaube stehen, blickte
auf die beiden anderen Wagen, die hinter Paul zum Stehen kamen.
»Ich auch. Deswegen fahre ich aber trotzdem nicht wie eine gesengte Sau.«
»Ich verhafte Sie, wenn Sie nicht sofort die Straße frei machen«, schnauzte Paul, dem die Wut heiß in den Kopf stieg.
Der dicke Mann lehnte sich doch tatsächlich in aller Ruhe gegen seinen Wagen. »Und dann fahren Sie meinen Fendt weg, oder was?«, sagte er und wies mit dem Daumen auf sein Gefährt, das im Leerlauf tuckerte und wie ein Dinosaurier auf der Straße stand. Paul ahnte, dass er den Traktor nirgendwohin fahren könnte.
»Ihr seid heute schon die Dritten, die wie die Bescheuerten hier um die Kurve nageln. Beim Nächsten stelle ich den Traktor auf der Straße ab, und da bleibt er dann bis morgen früh. Da können Sie Ihren städtischen Polizeiarsch drauf verwetten.«
Sprach’s, wandte sich ab und schlenderte betont langsam zu seinem Fendt zurück.
Paul sah ihm kopfschüttelnd nach. Darin unterschied sich die Bevölkerung auf dem Lande anscheinend nicht von den Städtern: Niemand hatte mehr Respekt vor der Polizei. Sie waren die Deppen der Nation, setzten aber jeden Tag für ebendiese Nation ihr Leben aufs Spiel. Eine verdrehte Welt, in der man schnell die Beherrschung verlieren konnte. Paul spürte, dass er nahe dran war. Die Hitze in seinem Kopf kam nicht nur von der Sonne.
Der Traktor schaukelte an ihm vorbei. Der Fahrer hob die Hand zum Gruß.
Paul zeigte ihm den Stinkefinger und gab Gas.
12
Max trug das kleine blinde Mädchen auf seinen Armen nach draußen und zu seinem Wagen. Im Tageslicht betrachtet erschütterte es ihn, wie sehr sie Sina ähnelte. Natürlich waren die Gesichtszüge nicht die gleichen, auch ihre Mimik nicht, aber der Rest war eine frappierend genaue Kopie seiner kleinen Schwester. Franziska hatte recht gehabt: Sauter bevorzugte einen bestimmten Typus als Opfer.
Sarah war aus ihrem Versteck gekrochen, hatte die Arme um seinen Hals geschlungen und schien ihn nicht mehr loslassen zu wollen. Sie zitterte, ihr Atem roch nach Erbrochenem, ihr Körper nach altem Schweiß und Urin. Max fragte sich, was sie in den Tagen seit ihrer Entführung hatte durchstehen müssen, und er empfand gleichzeitig Mitleid und Hochachtung für sie. Sie hatte es nicht nur überstanden, sie war Sauter auch noch abgehauen, hatte sich widersetzt, war nicht einfach nur Opfer geblieben. Dazu gehörte eine ordentliche Portion Mut. Ein starkes Mädchen. Sina war auch so gewesen. Sie hatte sich bestimmt nichts gefallen lassen - auch wenn es ihr am Ende nichts genützt hatte. Manchmal war es eben wichtiger, seinen Stolz und seine Würde zu behalten, auch wenn das eigene Leben auf dem Spiel stand. Für die Kleine hier war es noch mal gut gegangen. Sina hatte nicht so viel Glück gehabt.
Am Wagen angekommen hievte er Sarah auf den Rücksitz. Dort, so plante Max, sollte sie warten, bis er mit Sauter fertig war. Doch sie ließ ihn nicht los. Wie Klammern lagen ihre Ärmchen an seinem Hals.
Max nahm ihre Handgelenke und zog sie vorsichtig auseinander.
»Hab keine Angst mehr, kleine Sarah. Das ist mein Auto, und hier bist du in Sicherheit. Niemand wird dir hier etwas tun, ich verspreche es dir. Aber du musst mich noch mal kurz gehen lassen.«
»Nein!«, jammerte sie sofort, kämpfte gegen seinen Griff an, wollte ihre Arme wieder um seinen Hals schlingen.
»Psst. Keine Angst. Es ist nur für kurz. Nur ein paar Minuten. Ich muss hineingehen und
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