Blinder Rausch - Thriller
mithören. Sie hat ganz schön abgelästert über dich.«
»Marianne? Über mich?«
»Ja, deine liebe Mama über dich, war nicht gerade nett. Sie meint, sie käme nicht mehr zurecht mit dir. Ständig gäbe es Streit wegen Haushalt und deiner Unordnung. Auch würdest du dich mit ihrem Neuen nicht verstehen, wie hieß er noch gleich?«
»Pablo«, antwortete Niklas verächtlich. »Sie ist sauer, weil ich ihn Pappklo nenne.«
Leonie kicherte. »Bist du eifersüchtig?«
»Blödsinn«, brummte Niklas und knallte das Bullauge der Waschmaschine zu.
»Sie schleppt immer wieder nur Typen an, die einen leichten Schatten haben. Dieser Pablo stinkt wie ein Parfumladen, ist nur in gebügelten Hemden und Anzug unterwegs, fährt ein dickes Auto und ist Immobilienmakler. Marianne schwärmt davon, dass er uns bald eine Superwohnung in der Vorstadt besorgen will. Penthouse. Ich wär’ dann fast eine Stunde in die Schule unterwegs. Ich will das nicht. Ich will hierbleiben.«
»Sie sucht ein Internat für dich, hat sie gesagt.«
»Waaas?« Niklas sprang auf. »Wann hat sie das gesagt?«
Leonie war erschrocken zusammengefahren. »Na, als sie bei uns war«, bestätigte sie leise.
»Wann war sie bei euch?«
»Weiß nicht mehr so genau. Als du im Sommertrainingscamp warst.«
»Das ist drei Wochen her!«, rief er. Leonie biss sich auf die Lippen und überlegte verzweifelt, wie sie die Wirkung ihrer Worte abmildern könnte. Niklas war kreidebleich. Er lehnte sich gegen die Arbeitsplatte und umfasste die Kante rechts und links von sich so fest, dass die Knöchel der Finger weiß hervortraten. Er starrte zum Fenster hinaus. »Wieso rückst du dumme Tusse dann erst jetzt damit heraus?«, zischte er.
Leonie schluckte und suchte nach einer Antwort. »Ist mir irgendwie erst heute wieder eingefallen«, sagte sie kleinlaut.
»Na super, heute fällt dir das einfach so wieder ein. Is’ ja nicht wichtig. Is’ ja bloß mein Leben und nich’ deins, das gerade mal so ein bisschen vor die Hunde geht.«
»Vielleicht hat sie das ja auch nur so in ihrem Ärger gesagt und inzwischen längst wieder vergessen«, versuchte Leonie einzulenken.
»Nee, nee, hat sie nich’«, wehrte Niklas ab und richtete seinen Blick wieder auf Leonie, die in der Küchentür lehnte. Seine Augen waren glasig. »Ich hatte mir eh schon so was gedacht, weil in letzter Zeit bei der Post laufend Prospekte von Landschulheimen und so dabei sind. Die hat das ernsthaft vor. Will mich einfach zur weiteren Erziehung outsourcen. Garantiert steckt Pappklo dahinter. Scheiße! Nur noch anderthalb Jahre und sie könnte das nicht mehr bestimmen.«
»Soll ich mal meine Mutter fragen, ob sie Marianne das ausreden kann? Meine Mutter findet Internate nämlich echt bescheuert. Und mein Vater war früher sogar mal kurzzeitig auf einem und fand’s auch nicht grad berauschend.«
Niklas zuckte mit den Schultern. »Wenn sie sich mal was in den Kopf gesetzt hat, ist sie schwer davon abzubringen.« Er holte Luft, um noch etwas zu sagen, wurde jedoch von dem blechernen Gong der Türglocke unterbrochen. Niklas Blick flog hastig zur Küchenuhr. »Mist, den Typen hatte ich komplett vergessen!«, rief er und drängte sich an Leonie vorbei in den Flur, um den Türsummer zu betätigen. Leonie stand erstarrt wie eine Statue und beobachtete Niklas, wie er die Wäscheberge aus dem Flur in die Küche kickte. »Hey, Leo, hilf doch mal, schnell, der Typ ist gleich oben.« Leonie nickte mit steifem Hals und bückte sich in Zeitlupentempo nach einem Bündel Wäsche. Niklas beförderte in der Zeit den Rest durch die Küchentür und erklärte dabei: »Weißt du was, Frederik wäre der absolute Supersohn für meine Mutter. Manieren wie aus ’nem Katalog. Hat ’ne Dauerkarte beim Friseur und Klamotten wie frisch aus der Fabrik. Und die Lehrer schleimt der an! Jawohl, Herr Wolters, oh ja, danke, Frau Landmann! Und ich soll ihm jetzt Mathenachhilfe geben, damit er den Anschluss kriegt. Einfach so! Weil ich der liebe Nik bin, damit die Landmann am nächsten Elternsprechtag zu Marianne sagen kann: Ach, lassen Sie Ihren Sohn doch hier bei uns, er hat ja so ein gutes Sozialverhalten. Scheiße!« Damit kickte Niklas den letzten Socken in die Küche und zog lautstark die Tür zu, sodass das Türglas vibrierte und nur noch ein fahler Lichtschein in den dämmerigen Flur fiel.
Leonie stand vor der Wohnungstür und lauschte. Nicht auf das, was Niklas erzählt hatte, sondern auf das Knarren der hölzernen
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