Blinder Rausch - Thriller
Treppenstufen, das langsam immer näher kam. Ein scharrendes Geräusch draußen auf dem Treppenabsatz ließ sie zusammenzucken. Fahrig griffen ihre gespreizten Finger in die dünnen blonden Haarsträhnen, um sie ein bisschen aufzubauschen. Niklas beobachtete das Mädchen verblüfft, dann glitt ein bitteres Lächeln über sein Gesicht. »Kannst du den Typen an der Tür noch ein bisschen aufhalten? Ich muss noch grad in meiner Bude Klarschiff machen! – Hallo? Ich hab dich was gefragt!«
»Ach so, ja, ja«, antwortete Leonie nervös. Trotz der schwachen Beleuchtung war gut zu erkennen, dass ihre Gesichtshaut inzwischen tiefdunkelrot angelaufen war. Den halben Tag hatte sie diesen Augenblick herbeigesehnt. Genauer gesagt, von dem Zeitpunkt an, als Frederik nach der Schule auf sie zugetreten war. »Heute Nachmittag soll ich zu dem Mettner kommen und hab ihn dummerweise vergessen zu fragen, wo der wohnt und wie ich dahinkomme. Jetzt ist er schon weg. Sercan sagt, dass du mir das auch sagen kannst, weil du dort im Haus wohnst.« Nur zu gerne hatte ihm Leonie den Weg erklärt und dabei auch erfahren, wann das Ganze stattfinden sollte. Der Rest des Planes »Frederik-Kennenlernen« war dann schnell geschmiedet.
Ihre Hand rutschte schwitzig über das kühle Metall der Türklinke. Heute Mittag in ihrem Zimmer hatte Leonie die Begrüßungsszene schon einige Male geprobt. Als Erstes hatte sie ein rauchig gehauchtes »Hallooooo« einstudiert, das von einem geheimnisvollen Lächeln mit halb geschlossenen Lidern begleitet werden sollte. Dafür hatte sie sich die Wimpern noch einmal extra dicht getuscht. Schwungvoll öffnete sie die Tür. Da stand er. Der Mantel mit den Sternenklappen. Die Sonnenbrille. Die wohlgeordnete Strähnchenfrisur. »Äh. Oh!«, brachte Leonie heraus. »Ist Niklas da?«, fragte Frederik. »Äh. Ja!«, antwortete Leonie und trat ein wenig beiseite, damit Frederik hereinkommen konnte, »Und wo ist er?«, fragte er, während er suchend an den geschlossenen Zimmertüren entlang blickte. »Äh. Da!«, antwortete Leonie und schaute nach links zu einer Tür, an der ein Schild mit der Aufschrift »Atomwaffenfreie Zone« prangte. Frederik ging achtlos an Leonie vorbei, klopfte artig an der Tür und öffnete sie mit Niklas’ Antwort.
»Gleich, habe ich gesagt und nicht herein!«, fauchte Niklas, der gerade dabei war, das Bettzeug von seiner Schlafcouch in dem dafür vorgesehenen Schließkorb unterzubringen. »Du bist ’ne halbe Stunde zu früh!«, schimpfte Niklas. »Tschuldige, ja«, sagte Frederik, »aber so, wie Leonie mir den Weg erklärt hatte, mit zweimal Umsteigen und so, dachte ich, dass es länger dauert.« »So, so, erklärt hat sie dir das. Aha«, kommentierte Niklas und warf Leonie einen Blick aus schmalen Augen zu. »Ja, und ich hatte besser Anschluss, als ich dachte«, schob Frederik schnell nach. Er musterte dabei den Jungen, der ihn um einen Kopf überragte und sich vor ihm mit straffen Schultern aufgebaut hatte. Sein Blick wanderte von dem braun gebrannten Oberkörper bis zu der zerschlissenen und viel zu kurzen Jogginghose, die aussah, als habe er in der Eile nichts gefunden, was er sich schnell hatte überstreifen können. »Sorry, ich habe euch wohl wobei gestört«, bemerkte er dann. Auf Niklas Gesicht machte sich ein freches Grinsen breit, mit dem er über Frederiks Kopf hinweg Leonie ansah, die hinter ihm noch an der Tür stand.
»Klar, doch!«, sagte er. Leonie brauchte einen Moment, bis Niklas Worte in ihr Bewusstsein gedrungen waren. »Nein!«, schrie sie auf. Frederik wandte sich nach ihr um. In seinem Gesicht stand ein wissendes Lächeln. »Ist schon gut, ich erzähl’s nicht deiner Mama.«
»Wie nett von ihm!«, flötete Niklas.
»Es ist nicht, wie du denkst. Ich bin nicht mit dem zusammen!«, fuhr Leonie auf.
»Los, Niklas, sag’s ihm!«
Niklas lachte. »Aber gerne doch! Hör zu Frederik! Nee, ich bin nicht mit der zusammen. Ich bin doch nicht blöd und lass mich mit der Oberzicke der ganzen Schule ein!«
»Niklas!«, schimpfte Leonie, griff sich einen Basketball, der neben der Tür auf dem Boden lag und schleuderte ihn in Niklas Richtung. Der Ball traf Frederik hart am Hinterkopf und sprang dann weiter in Richtung Zimmerdecke. Dort fing Niklas den Ball zielsicher ab. »Die hat sie ja nicht alle!«, stöhnte Frederik und bückte sich nach seiner Sonnenbrille. Die Flurtür schlug zu. Leonie rannte schluchzend die Treppen hinunter.
Sie hatte sich tief in ihr Bettzeug gewühlt
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