Blinder Rausch - Thriller
ausnahmsweise mal unschuldig sind. Oder am Ende einfach nur mitgemischt haben. Auch das wäre ihnen zuzutrauen.«
Leonie starrt auf das spärlich gestaltete Zeichenblatt wie auf eine Projektionsfläche, auf der sich plötzlich ein Film abspult. Hanna kommentiert: »Vielleicht hast du ja deshalb keine Kampfgeräusche gehört, als du mit Niklas vor der Fabrik standest, weil alles schon vorher abgelaufen war und Benny längst da drin verletzt gelegen hat.« Niklas!, denkt Leonie. Konnte er vorher schon in der Fabrik gewesen sein? Immerhin hatte er ihr zunächst einen völlig anderen Grund genannt, warum er sich mit Benjamin treffen wollte. Hatte er sie gestern nicht nur damit angelogen? Leonie beißt sich auf die Lippen. Nicht schon wieder, denkt sie. Aber Niklas ist nun mal ein Geschichtenerzähler. Auch damals bei der Sache mit Denise war er erst auf Umwegen mit der Wahrheit herausgerückt. Und jetzt? »Traust du Niklas ehrlich zu, dass er Benjamin in der Fabrikhalle zusammenschlägt und sich dann seelenruhig draußen mit mir trifft und unterhält?«
»Seelenruhig? War er das?«, erkundigt sich Hanna.
Nein, das war er nicht, denkt Leonie und bemerkt, wie Hanna sie forschend mustert. »Wir waren beide gestern aufgeregt. Es war einfach unheimlich dort. Und dann kam die Polizei, und wir sind schnell weg.«
»Die Polizei? Habt ihr sie gerufen?«, fragt Hanna. Leonie schüttelt den Kopf.
»Wer hat sie aber dann gerufen? Jens und Marcel bestimmt nicht. Die rufen nicht die Polizei, um sich anschließend von denen verhaften zu lassen«, spekuliert Hanna. Leonie denkt daran, dass sie Frederik auf dem Grundstück nebenan zu sehen glaubte. Vielleicht hatte er? Aber warum? Sie überlegt, ob sie Hanna davon erzählen soll. Hanna räuspert sich: »Vielleicht hat Niklas aus dem Versteck heraus die Polizei anonym alarmiert, weil er ein schlechtes Gewissen bekommen hat.«
In Leonie überschlagen sich die Gedanken. Was ist das für ein grausames Verwirrspiel? Sie will endlich Klarheit! Als Hanna zum Waschbecken geht, um ihr Farbwasser auszutauschen, schreibt Leonie unter der Bank eine SMS . Ich hab dich gestern gesehen und ich weiß mehr, als du denkst!!! Sie schickt die Nachricht an Frederik. Schon nach kurzer Zeit vibriert ihr Handy. Leonie linst verstohlen zur Lehrerin, doch die steht einige Bänke weiter vorne über ein Bild gebeugt und diskutiert mit einer kleinen Gruppe von Schülern darüber. Leonie liest die eingetroffene Mitteilung. Was willst du? Leonie antwortet: die wahrheit über Denise und Benny. Er schreibt zurück: Kenn ich nicht. Leonie kneift die Augen zusammen. In ihr gärt die Wut der Verzweiflung. Natürlich weiß er etwas! Und er muss es ihr endlich sagen. Sie schreibt: Wenn du mir nicht endlich alles erzählst, gehe ich heute nachmittag zur polizei und sage, dass ich dich gestern genau beobachtet habe. Ich weiß nämlich, warum du dort warst! Es dauert eine Weile bis die Antwort eintrifft. Frederik fragt: von wem? Und Leonie entschließt sich zu pokern. Sie schreibt: Von Benny. Ich weiß, was ihr mit mir und Denise auf deiner party gemacht habt Offensichtlich hat sie ins Schwarze getroffen, denn Frederik schreibt: Komm runter auf den hof. Sie trifft ihn in der Nische hinter den Toiletten, dort wo die Schüler sich vor Einblicken sicher glauben, um ungestört rauchen zu können. Er steht dort und sieht mit blinzelnden Augen dem Rauch seiner Zigarette nach. Sein Gesicht ist blass, und in seiner Stimme liegt eine kalte Wut, als er ihr seine Worte entgegenschleudert: »Wenn Benny dir die Wahrheit gesagt hat, dann weißt du auch, dass ich unschuldig bin und dass es von dir ziemlich unfair wäre, wenn du mich bei den Bullen anschwärzt. Außerdem würdest du ihnen nichts Neues erzählen. Die haben mich gestern schon verhört! Und jetzt lass mich in Frieden!« Leonie spürt eine ähnlich kalte Wut wie er. »Du weißt mehr!«, sagt sie mit fester Stimme. »Ich habe ein Recht darauf, zu erfahren, was passiert ist. Es sind meine Fotos, mit denen ihr euch amüsiert habt, ihr Schweine!« Beim letzten Wort schluchzt Leonie auf und sieht Frederik mit funkelnden Augen an. Sie hat sehr wohl bemerkt, dass er beim Wort »Fotos« zusammengezuckt ist und für sich registriert, dass sie auf dem richtigen Weg ist. Er tut einen tiefen Zug aus seiner Zigarette. » O. K. «, sagt er dann. »Du wirst alles erfahren. Aber nicht hier!« »Keine Tricks jetzt!«, faucht sie ihn an.
»Ich hab jetzt Mathe«, erklärt er, »die Landmann
Weitere Kostenlose Bücher