Blinder Rausch - Thriller
sie nur abgesetzt und sei dann gleich wieder nach Hause gefahren. Seine Mutter bestätigt, dass er nur kurz weg war.«
»Was hältst du von diesem Frederik?«
»Glatt ist der. Ziemlich cool. Wir haben ihn in der Datei wegen Drogenbesitz. Haschisch. Allerdings nur ein paar Gramm für den Hausgebrauch. Dann gab es mal eine Anzeige, die im Sande verlief. Da wurde er beschuldigt, mit Ketamin zu handeln«, erklärt Anja Wiesner. »Er ist der Sohn von Dr. Anselm Kaufmann, der diese Schickimicki-Tierklinik betreibt. Ketamin ist ein Betäubungsmittel für Tiere. Insofern war der Verdacht vielleicht gar nicht so haltlos. Immerhin wäre es möglich, dass der Sohn sich heimlich etwas aus dem Medizinschränkchen seines Vaters besorgt hat.«
Lindemann stöhnt auf: »Oje, der ist das. Der Onkel Doktor, der unser Jahresgehalt in einem Monat verdient, weil er die Erkältung des Nackthundes von irgend so einer Promitante kuriert. Hab ich den nicht neulich auf einem Wahlplakat gesehen?«
Anja Wiesner nickt. »Ja, er kandidiert bei den nächsten Wahlen, was heißt, das hinter dem ein Netzwerk steht und wir vorsichtig sein müssen, wenn wir uns seinen Filius vorknöpfen.«
Lindemann nickt. »Ketamin. Wie wirkt das?«
»Es wirkt je nach Dosis zunächst schmerzlindernd, dann stimmungsaufhellend. Es kann aber auch schnell unkontrollierbar werden und zu Wahnvorstellungen führen. Habe mich gerade neulich mit Sven Mertens vom Rauschgift unterhalten. Der sagt, der Drogenmarkt ist inzwischen sehr unübersichtlich geworden, ständig kommt neues Zeug dazu. Er sagt, es gibt ein Gerücht, dass zurzeit über dubiose Wege aus Tierarztpraxen Ketamin auf den Drogenmarkt kommt. Abnehmer sind in dem Fall nicht unbedingt Drogenabhängige, sondern Leute mit schweren Depressionen, die auf andere Medikamente nicht ansprechen. Es soll Eltern geben, die das Zeug für ihre Kinder besorgen, damit sie angstfrei und erfolgreich durch die Schule kommen.«
»Danke für die Vorlesung«, grunzt Lindemann. »Aber glaubst du das wirklich? Die Eltern riskieren Knast für den guten Numerus clausus ihrer Kids?«
Anja Wiesner zuckt mit den Schultern. »Der Leistungsdruck wird doch immer größer! Schon im ersten Grundschuljahr bibbern alle darum, dass sie nach der vierten Klasse bloß aufs Gymnasium kommen. Wer das nicht schafft, fühlt sich schon im Alter von zehn Jahren als Versager auf der ganzen Linie. Neulich stand es in der Zeitung. Ein Drittel aller Schulkinder bekommt von den Eltern Medikamente, von denen sie sich einen besseren Schulerfolg versprechen. Das fängt bei Vitaminpillen, Kopfschmerztabletten, Beruhigungstees an und geht bis zu Ritalin, diesem Zeugs, das die sogenannten Zappelphilippe ruhig stellen soll. Warum dann nicht auch Ketamin, das die Depressiven aufmuntert? – Es ist übrigens nur ein verschreibungspflichtiges Medikament und fällt nicht unter das Betäubungsmittelgesetz.«
»Ist es das?«, fragt Lindemann und starrt nachdenklich in Anja Wiesners Richtung. Sie nickt.
»Sag doch mal dem Krankenhaus, sie sollen das Blut von Benjamin Zinser auf Spuren von Ketamin untersuchen«, sagt Lindemann.
»Mach ich«, bestätigt Anja Wiesner und widmet sich dem nächsten Kaktus. »Bei dem Jungen hatte ich ohnehin den Eindruck, dass er zu Depressionen neigt. Er wirkte sehr in sich gekehrt und bedrückt, aber auch versteckt aggressiv. Enttäuscht, verletzt eben.«
Lindemann nickt. »Es gäbe also durchaus Grund anzunehmen, dass der teuer gekleidete Sohn des Tierpapstes sich sein Taschengeld aufbesserte, indem er aus der Apotheke des Herrn Papa dieses Zeug an Bedürftige vertickt hat. Und einer davon könnte dieser Benjamin gewesen sein. Haben wir hinreichende Beweise, um uns diesen Frederik Kaufmann einmal vorzuknöpfen, eventuell mal in der Klinik und im Privathaus nachzuschauen?«
Anja Wiesner schüttelt den Kopf. »Vergiss es! Bis jetzt haben wir nichts, was der Staatsanwalt anerkennen würde. Im Moment müssen wir auch davon ausgehen, dass Frederik Kaufmann uns zum Verlauf des gestrigen Abends die Wahrheit gesagt hat und er wirklich nichts mit dem Sturz von Benjamin zu tun hat. Schließlich hat die Streife nur Marcel und Jens auf dem Fabrikgelände gestellt. Von Frederik Kaufmann war weit und breit nichts zu sehen. Auch ist der Streife, nachdem sie alarmiert wurde, kein Fahrzeug aus dem Industriegebiet entgegengekommen. Das wäre ihnen aufgefallen, denn da ist um diese Zeit nun wirklich nichts los.«
»Lies mir noch einmal den Wortlaut des
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