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Blindes Grauen

Blindes Grauen

Titel: Blindes Grauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Abercrombie
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mal Telefonverkäufer. Passt auf.« Er wählte die Nummer, warf Gooch über den Rückspiegel einen Blick zu, zwinkerte wieder.
    »Zwinker mir noch einmal zu, dann glaube ich, du willst mich anbaggern.«
    Raymondo hörte auf zu grinsen. »Ja, schönen guten Tag auch, Leslie, wie geht es Ihnen heute? Gut! Fantastisch. Hier ist Raymondo Edwards von Shillingham Securities. Wir haben letzten Monat telefoniert und ich wollte nur einmal nachfragen, ob Sie den Prospekt erhalten haben, den ich Ihnen letzten Monat … Hallo?« Er lachte.
    »Sie ist zu Hause?«
    »1654 March Street.«
    Walter sagte: »Wir sind gar keine so schlechten Ermittler, oder, Detective?«
    Gooch grunzte wieder. Die beiden Männer stießen über die Sitzlehne hinweg ihre Fäuste aneinander.
    »Hört auf, euch zu gratulieren«, sagte Gooch, »und findet raus, wo diese Häuser stehen.«

49
    Bleibt im Wagen«, sagte Gooch, als er vor Leslie Bells Haus hielt, einer bunten, geschmacklosen Möchtegernvilla in Decatur. Das Haus war ganz hübsch, aber der Garten nicht sonderlich gepflegt. Es standen zwei Autos in der Auffahrt, ein zehn Jahre alter Explorer und ein neuerer Mercedes. Der Mercedes hatte einen Platten und sah aus, als stünde er schon lange da.
    »Ach, kommen Sie, Mann!«, sagte Raymondo.
    Gooch ignorierte ihn, stieg aus dem Wagen, ging zur Tür, klingelte. Er musste dreimal läuten, dann wurde die Tür geöffnet. Eine Frau mit blonden Haarsträhnen und einer Menge Make-up im Gesicht stand dort. Sie hielt ein Glas in der Hand – zwei Eiswürfel, vier Finger hoch Bourbon. Sie schaute ihn irritiert an, dann sagte sie: »Ich habe schon im Büro gespendet.«
    Sie wollte die Tür wieder schließen, aber Gooch drängte sich an ihr vorbei ins Haus. »Ich habe den Eindruck, Sie waren heute gar nicht im Büro«, sagte Gooch. »Genau genommen schon eine ganze Weile nicht, oder?«
    »Wer sind Sie?«
    »Gooch. Cold Case Unit.« Er zeigte seine Marke.
    »Raus aus meinem Haus.«
    »Sie wollen nicht mal wissen, in welcher Angelegenheit ich ermittle?« Gooch sah sich um. Übergroße Möbelstücke in leuchtendem Gold und Orange, riesige Kissen mit Goldsaum, japanische Holzblock-Drucke in überwältigenden Goldrahmen – eine Sammlung halbwegs asiatischen Zeugs, die aussah, als wäre sie an einem einzigen Nachmittag von einem Inneneinrichter mit zu viel Geld ausgesucht worden. Kein Hauch von Vorstellungskraft oder Persönlichkeit im ganzen Raum.
    Schachteln, Papiere und zusammengeknüllte Donut-Tüten auf allen Oberflächen. Gooch hatte das Gefühl, diese Frau war dabei, mächtig abzustürzen.
    Leslie Bell starrte ihn an, die Augen nass vom Saufen und vom Hass. Er fragte sich, ob sie jeden so anschaute, oder ob es daran lag, dass sie wusste, warum er hier war. Sie war mal eine schöne Frau gewesen, aber mittlerweile zu dick.
    »Kathleen Bolligrew«, sagte er.
    Ihr Gesicht wurde weiß.
    »Raus«, flüsterte sie.
    Gooch ging ins Zimmer, nahm eine japanische Teetasse von einem Sims, drehte sie um und suchte nach dem Herstelleraufdruck. Er hatte vor einer Weile begonnen, sich für japanische Keramiken zu interessieren – ein Nebeneffekt seiner Begeisterung für japanische Schwerter. »Gefälscht«, sagte er und stellte die Tasse zurück.
    »Ich rufe die Polizei«, sagte sie.
    »Ich habe Ihnen doch gerade gesagt, ich bin von der Polizei.«
    »Ihr Schweine«, sagte sie. Sie hatte einen leichten Südstaatenakzent. Es klang, als wäre sie in einem Laden wie Vanderbilt in einer Studentenverbindung gewesen. »Ihr wollt einfach alles niederreißen. Ich kann es in Ihren Augen sehen. Die Verachtung. Sie haben ja keine Ahnung, was mich dieses Haus gekostet hat.« Ein sattes Stück Moral, würde ich meinen. Aber er sagte nichts.
    Sie wandte sich ab und ging davon. Sie trug sehr hohe Absätze, und er hatte den Eindruck, dass sie sich auf jeden Schritt ganz schön konzentrieren musste, damit sie nicht hinfiel. Er folgte ihr zur Hintertür des Hauses hinaus in einen kleinen, gewollt abgezirkelten Garten. Noch mehr japanische Stilelemente: ein Mini-Teich mit Goldfischen, Bambus, ein Steingarten – Zen aus dem Baumarkt. Auch hier wucherte überall Unkraut und ruinierte den Eindruck.
    Sie ging durch den Zen-Steingarten – der schon lange nicht mehr geharkt worden war – und hinterließ Fußabdrücke im Kies; sie marschierte bis zum hinteren Ende des Grundstücks, dann blieb sie stehen und starrte auf ein kleines Bambusdickicht. Gooch konnte den Wind durch den Bambus rascheln

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