Blindes Grauen
legte seine Hand vorsichtig auf Walters Handgelenk. »Hören Sie, wir wissen, wie das läuft. Wir geben Ihnen den Durchsuchungsbefehl, Ihre Leute trödeln in irgendeinem Meeting, dann kommen sie schließlich runter, sehen die Papiere durch, dah da-dah da-dah – und in der Zwischenzeit wird unsere Kollegin in irgendeinem heruntergekommenen Mietshaus erschossen. Und dann dreht der Staatsanwalt durch und fängt an mit: ›Da sieht man’s. Eine große weiße Anwaltskanzlei trödelt, weil die Polizisten Afro-Amerikaner waren, tüddelü, tüddelü‹, weil er nämlich wiedergewählt werden will, und dann steht es in der Zeitung, auf CNN, weltweit, und die Verwandten der Toten verklagen Schumacher, Dillman und Priest wegen Fahrlässigkeit. Und zack sind Sie im Fernsehen und müssen Ihr Gesicht verdecken, während Sie zu Ihrem Auto laufen, während dicke schwarze Frauen Schilder in die Luft halten und Sie beschimpfen. Und wissen Sie was, die Partner dieser Firma leiden dann unter etwas, was Sie angerichtet haben, Sie – eine kleine Angestellte – und lassen Sie dafür büßen. Aus ist’s mit der Partnerschaft. Alles, wofür Sie gearbeitet haben, ist im Lokus; die lassen Sie im Regen sitzen, bloß damit Al Sharpton damit aufhört, ihren Country-Club zu belagern. Hmm? Ja? Oh, was für ein Mist!«
»Hören Sie, mir sind die Hände gebunden«, sagte Renee Makepeace. Aber Sie war blass geworden.
»Jetzt warten Sie mal!« Raymondo hob die Hände. »Wir wollen nichts wissen, was nicht auch anders rauszukriegen wäre. Nichts, was irgendwelche juristischen Konsequenzen hätte. Wir sind wie Geister. Wir sind hier, dann sind wir weg. Spurlos.«
Die Anwältin rieb sich nervös über das Gesicht.
»Im Ernst«, sagte Raymondo. »Ein Leben ist in Gefahr. Alles, was wir brauchen, ist eine Adresse. Niemand muss wissen, woher wir sie haben.«
»Das kann ich nicht.«
»Detective Gooch«, sagte Raymondo. »Geben Sie ihr Ihren Notizblock. Sie schreibt die Adresse da hinein. Wenn alles vorbei ist, landet der Zettel im Feuer. Woosch! Es gab ihn nie.«
Gooch zog seinen Notizblock heraus und legte ihn auf den Schreibtisch. Dann griff er nach dem Telefonhörer, drückte auf Wiederwahl, reichte ihn der Anwältin. »Wen auch immer Sie gerade angerufen haben«, sagte er, »sagen Sie Ihnen: ›Falscher Alarm.‹«
Renee Makepeace schluckte, dann nahm sie den Hörer. »Hey, hier ist Renee. Falscher Alarm. Ich brauche doch keinen Wachdienst. Und auch nicht Roger. Nein, nein, alles in Ordnung. Ja. Wirklich. Alles bestens.«
Sie legte auf, tippte etwas in den Computer, öffnete eine Datei, schrieb dann fünf Adressen in Gooch’ Notizblock.
»Was ist das?«, fragte Gooch.
»Flips«, sagte sie.
Gooch runzelte die Stirn.
Raymondo sagte: »Immobilien-Investments in Gegenden, die sich verändern. Jemand kauft sie und richtet sie her, verkauft sie dann mit Gewinn. Das nennt man einen Flip.«
»Genau«, bestätigte Renee Makepeace.
»Und wem gehören sie?«
»Ja …« Sie schaute unglücklich. »Brauchen Sie diese Information wirklich?«
»Es könnte unter Umständen entscheidend sein, Ma’am«, sagte Raymondo.
»Hören Sie …«
»Muss ich erst böse werden?«, fragte Walter.
Gooch warf ihm einen Blick zu.
»Hey, war nur Spaß«, sagte Walter. »Ist aber nicht witzig. Rettet der Kollegin vielleicht das Leben.«
Die Anwältin räusperte sich. »Sie gehören einer Firma namens FlipMasters.«
»Und das ist wer?«, fragte Gooch.
»Das möchte ich lieber nicht sagen.«
»Warum nicht?«
Sie presste die Lippen aufeinander, schaute ihn versteinert an.
»Gehen wir«, sagte Gooch.
»Ja«, sagte Raymondo, »aber es wäre doch auch gut zu …«
»Wir sind weg«, sagte Gooch. »Wir brauchen nur die Adressen.«
Er verließ das Büro. Fünf Adressen. Und er war praktisch sicher, dass MeChelle an einer davon war.
»Klasse!«, sagte Walter, kaum dass die Fahrstuhltüren zu waren.
Raymondo verneigte sich, als stünde er auf einer Opern-bühne. »Oh, Mama. Oh, Scheiße! «
»Das war irre «, sagte Walter.
Die beiden jungen Männer begannen im Fahrstuhl herumzutanzen und grinsten blöde.
»Hast du das gehört?«, sagte Raymondo. »›Wir wollen nichts wissen, was nicht auch anders rauszukriegen wäre …‹«
»Nigga, ich hab mich fast bepisst.«
»Das war der wildeste Scheiß, den ich im Leben je durchgezogen habe.«
»Als Polizist«, sagte Gooch, »macht man so was jeden Tag.« Was natürlich nicht ganz stimmte. An den meisten Tagen
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