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Blindes Vertrauen

Blindes Vertrauen

Titel: Blindes Vertrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brown Sandra
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auf den Wagenboden flattern. »Auf den Anruf einer Spinnerin reagieren«, murmelte sie voller Selbstverachtung. »Das beweist nur, wie verzweifelt ich bin. Bloß gut, daß Howie und Jenkins nicht wissen, daß ich so tief gesunken bin.«
    Â»Hätte auch anders ausgehen können.«
    Â»Spar dir deine gönnerhafte Art«, wehrte sie mißmutig ab. »Es war ein dämlicher Impuls, und ich schäme mich, ihm nachgegeben
zu haben. Das Problem ist nur, daß mir nichts mehr einfällt. Was tun wir, wenn Howie nichts rauskriegt?«
    Â»Was ist mit deinen Informanten?«
    Â»Du hast meinen Piepser nicht mehr gehört, oder?«
    Â»Hast du die Batterien kontrolliert?«
    Sie warf ihm einen finsteren Blick zu. »Der Piepser funktioniert, Bondurant, aber ich nicht. Als Journalistin bin ich in Washington erledigt.«
    Â»Du kannst dich trotzdem noch gewandt ausdrücken.«
    Je mehr er versuchte, sie aufzumuntern, desto widerborstiger wurde sie. »Niemand, nicht mal die geheimste geheime Quelle, will mit mir noch was zu tun haben. Keine einzige Redaktion in dieser Stadt, vielleicht sogar im ganzen Land, würde mich auch nur als Klofrau beschäftigen.«
    Sie lehnte sich seufzend an die Kopfstütze. »Was ich heute abend vor dem Wegfahren gesagt habe, war zu ungefähr neunzig Prozent mein Ernst. Ich wollte, ich könnte mein früheres Leben zurückbekommen. Cronkite fehlt mir. Mein Haus fehlt mir. Es war kein Palast, aber immerhin mein Heim. Mir fehlt meine Arbeit, der Termindruck, die Aufregung, wenn ich am Ort des Geschehens eintreffe, und die Befriedigung, die ich empfinde, wenn mir eine gute Reportage gelingt. Gott bewahre, mir fehlt anscheinend sogar Howie, denn ich habe mich fast gefreut, ihn heute abend wiederzusehen.«
    Gray sah leicht entsetzt zu ihr hinüber. »Du scheinst einen schweren Anfall von Selbstmitleid zu haben.«
    Â»Spürst du etwa gar keins? Hast du keine Sehnsucht nach deiner Ranch, deinen Pferden und deiner kostbaren Einsamkeit? Wünschst du dir nicht manchmal, ich wäre nie aufgekreuzt?«
    Â»Du bist aber aufgekreuzt. Was könnten Wünsche daran ändern? Ich habe ein Jahr lang zurückgezogen gelebt, aber stets
geahnt, daß irgendein neuer Einsatz kommen würde. Unbewußt habe ich abgewartet, welche Form er annehmen würde. Als Katalysator hat sich dann Robert Rushton Merritts Tod erwiesen. Wer hätte ihn voraussagen können? Kein Mensch. Letztlich wissen wir nie, was uns als nächstes bevorsteht.« Er zuckte gleichmütig mit den Schultern. »Ich nehme die Dinge, wie sie kommen, und blicke möglichst nicht zurück.«
    Â»Gott, zeigst du denn nie die geringste Schwäche? Läßt du nie eine menschliche Regung durch deinen verdammten Panzer dringen? Kannst du nie loslassen und einfach nur fühlen? «
    Als ihre Stimme brach, hielt sie den Mund, damit er nicht merkte, wie nahe sie den Tränen war. Ja, sie kam sich idiotisch vor, weil sie eine Spinnerin aufgespürt hatte. Ja, sie war frustriert, weil es ihnen bisher nicht gelungen war, die Mauer der Geheimhaltung, die Vanessa umgab, zu durchdringen. Sie wußte nicht einmal, ob sie vielleicht schon tot war. Barrie war mehr denn je davon überzeugt, Merritt wolle letztlich Witwer werden. Mit jedem Tag, an dem sie ihn nicht entlarvte, kam er diesem Ziel einen Schritt näher.
    Ja, sie machte sich Sorgen um Daily, weil er immer elender klang und aussah. Er riß sich zusammen, aber Barrie wußte, daß sein Zustand sich verschlimmerte. Auch sein Facharzt konnte ihm nicht mehr helfen. Sein Leiden hatte ein Stadium erreicht, in dem selbst die aggressivsten und innovativsten Behandlungsmethoden nicht mehr angeschlagen, sondern nur die Qualität des ihm noch verbleibenden Lebens verringert hätten.
    Ja, ja, ja. Das alles machte ihr heute nacht Sorgen. Aber den größten Kummer machte ihr der Mann neben ihr. Gray Bondurant blieb ihr ein Rätsel. Sie war mit ihm im Bett gewesen, aber sie kannte ihn nicht. Obwohl sie nun schon so viel Zeit miteinander verbracht hatten, war er ihr so fremd wie an jenem ersten Morgen, vielleicht sogar fremder.

    Deshalb war Barrie den Tränen nahe. Sie hatte seinen Körper liebkost, aber ihn nicht berührt.
    Sie warf alle Vorsicht über Bord und fragte: »Wie kannst du dir aus nichts und niemandem etwas machen? Wie bist du nur so ein gefühlloser Kerl geworden?«
    Eine volle Minute

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