Blindes Vertrauen
daà ich nicht mehr bei WVUE bin. Ich habe nie selbst mit ihr geredet, aber sie war eine treue Anruferin.« Barrie folgte einem Impuls und bat Gray, vor dem Drugstore an der nächsten Kreuzung zu halten.
Gray parkte am Randstein und stieg mit ihr aus. »Der Laden hat zu«, stellte er fest.
»Den Drugstore brauche ich auch nicht. Ich will die Telefonzelle benützen.«
Er sah sich um. »Keine gute Gegend, um sich an StraÃenecken herumzutreiben.«
»Ach, mit der Beleuchtung im Laden und der tragbaren
Kanone in deiner Hose fühle ich mich einigermaÃen sicher.« Er sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Du bildest dir zuviel ein, Bondurant. Hast du Kleingeld für mich?«
Die Telefonnummer, die Howie für sie notiert hatte, begann mit einer Vorwahl, die sie nicht kannte. Um zu vermeiden, daà der Anruf registriert wurde, benützte sie nicht ihre Telefonkarte, sondern warf Münzen ein. Nach mehrmaligem Knacken und Piepsen kam die Verbindung schlieÃlich zustande. Barrie hörte es am anderen Ende klingeln. Sie wollte den Hörer schon wieder einhängen, als sich doch jemand meldete.
»Yo!«
»Wie bitte?« Sie hob ihre freie Hand, um Gray zu signalisieren, die Verbindung sei zustande gekommen.
»Vom wem ham Se die Nummer?«
»Ãh, Charlene Walters«, antwortete Barrie, »kann ich sie bitte sprechen?«
Die einzige Reaktion auf ihre Bitte bestand aus einem schleimigen Lachen, in das sich nasale Schnieflaute mischten.
»Ist Miss Walters da?«
»Die ist schon hier. Aber nach dem Absperren darf niemand mehr ans Telefon.«
»Nach dem Absperren?« Barrie sah zu Gray auf, der ebenso überrascht wirkte wie sie. »Wo sind Sie eigentlich?« fragte sie.
»Zentralgefängnis. Pearl, Mississippi.«
»Ist Miss Walters dort inhaftiert?«
»Die sitzt hier schon verdammt lang ein. Wie kommtâs, daà Sie sie anrufen?«
»Mit wem spreche ich bitte?«
Der Mann identifizierte sich als Gefängniswärter, der nur zufällig vorbeigekommen war, als das Telefon geklingelt hatte. Barrie fragte, ob sie den Direktor sprechen könne. »Zu so nachtschlafender Zeit? Sind Sie âne Anwältin oder was?«
Sie mogelte sich um eine direkte Antwort herum, erklärte, sie müsse unbedingt mit jemandem aus der Gefängnisverwaltung sprechen, und betonte, diese Sache könne keineswegs bis morgen warten. »Okay«, knurrte der Wärter. »Gebân Se mir die Nummer, unter der Sie zu erreichen sind. Er kann Sie ja zurückrufen, wenn erâs für richtig hält.«
Barrie hätte lieber die Telefonnummer des Gefängnisdirektors gehabt, aber sie gab sich damit zufrieden, dem Aufseher die Nummer des Telefons zu geben, an dem sie stand. Als sie den Hörer einhängte, erkundigte Gray sich, woher die Insassin eines Gefängnisses in Mississippi sie kennen könne.
»Meine Krippentodserie ist über Satellit verbreitet worden. Jeder Sender im ganzen Land hätte sie übernehmen können. Anscheinend hat sie ein Sender ausgestrahlt, der im Gefängnis zu empfangen ist. Häftlinge sind oft auf Berühmtheiten fixiert â obwohl man sehr gutwillig sein muÃ, um mich als Berühmtheit zu bezeichnen.«
»Warum muÃt du sie âºunbedingtâ¹ noch heute sprechen?«
»Das muà ich nicht«, gab Barrie zu. »Sie hat mir meistens nur ausrichten lassen, ich sei eine Idiotin. Aber mich interessiert, warum sie mich für eine gehalten hat.« Sie sah, daà Gray konzentriert die Augen zusammenkniff. »Woran denkst du?«
»Mir ist nur eingefallen, daà David und Vanessa beide aus Mississippi stammen.«
»Tatsächlich, du hast recht«, bestätigte Barrie. Sie griff beim ersten Klingeln nach dem Hörer. »Hallo, hier Barrie Travis.«
»Foote Graham, der stellvertretende Gefängnisdirektor.«
»Vielen Dank, daà Sie mich zurückgerufen haben, Mr. Graham.«
»Kein Problem, Maâam. Was kann ich für Sie tun?«
Sie stellte sich als Fernsehjournalistin aus Washington vor
und erzählte, Charlene Walters habe sie schon mehrmals angerufen.
»Belästigt sie Sie etwa?«
»Nein, das ist es nicht. Ich frage mich nur, wie Miss Walters auf die Idee gekommen ist, mich anzurufen.«
»Crazy Charlene ist leider ganz unberechenbar.«
Barrie sah zu Gray auf, der konzentriert versuchte, ihren Gesichtsausdruck zu
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