Blindes Vertrauen
Teufel, um sie zu behalten. Es war unvermeidbar, daà irgendwann ein Jüngerer die Macht ergreifen würde, die Clete jetzt in Washington ausübte. Aber nicht heute und nicht morgen. Er selbst würde den Zeitpunkt bestimmen, an dem er den Stab übergab.
Und er würde ihn nicht David Merritt anvertrauen.
Seine Sekretärin meldete sich wieder. »Tut mir leid, Senator. Der Präsident hat heute einen übervollen Terminkalender und soll heute abend nach Atlanta fliegen. Er wird erst morgen nachmittag zurückerwartet.«
Clete lieà sich das mehrere Sekunden durch den Kopf gehen. »Danke, Carol. Versuchen Sie weiter, diesen Quacksalber Allan zu erreichen. Und wimmeln Sie Bondurant ab.«
»Ja, Sir.«
Er ging an seinen Schreibtisch zurück, legte die FüÃe darauf und wippte mit seinem abgewetzten Ledersessel vor und zurück, während er über seinen nächsten Schachzug nachdachte. David hatte unerwartet schnell gehandelt. Clete hatte damit gerechnet, er werde die Sache etwas abkühlen lassen, bevor er einen neuen Versuch startete, die einzige Zeugin seines Säuglingsmords zu beseitigen.
Ja, Clete glaubte alles, was Bondurant und Barrie Travis ihm in jener Nacht in dem Schnellimbià erzählt hatten. GewiÃ, er hatte der Travis öffentlich jede Glaubwürdigkeit abgesprochen, aber sie hatte ihm schlieÃlich keine andere Wahl gelassen. Er hatte wegen ihres Irrtums im Krankenhaus Krach schlagen müssen, um nicht selbst wie ein verdammter Trottel dazustehen. Er war über sie hergefallen, aber sein Zorn hatte seinem verräterischen Schwiegersohn gegolten.
Barrie Travis war eine Spinnerin, aber Bondurant war keiner. Clete hätte ihre Geschichte wahrscheinlich nicht geglaubt, wenn nur die Travis sie erzählt hätte, aber Bondurant war absolut glaubwürdig. Clete hatte den zum Präsidentenberater aufgestiegenen ehemaligen Marineinfanteristen nie besonders gut leiden können. Der Mann war fast krankhaft schweigsam. Und er trug seine Integrität wie ein Ãrmelabzeichen zur Schau. Clete miÃtraute jedem, der so ehrlich und aufrichtig war.
Clete hatte Bondurant noch nie bei einer Lüge ertappt. Er war zwar allen Fragen nach seiner Affäre mit Vanessa ausgewichen, was man als Lügen durch Verschweigen hätte auslegen können, aber Clete war sicher, daà sein Schweigen nicht reiner Selbstschutz war, sondern daà er sich ritterlich bemühte, Vanessa vor einem Skandal zu bewahren.
Da er Davids Persönlichkeit wie sonst niemand kannte und von dem Vorfall mit einer jungen Frau namens Becky Sturgis wuÃte, zweifelte Clete nicht im geringsten daran, daà David imstande wäre, ein Kind zu ersticken, von dem er wuÃte, daà es nicht seins war.
Clete machte sich Vorwürfe, weil er nicht schon früher darauf gekommen war. Dieser Dreckskerl hatte Vanessa und ihn in dem Glauben gelassen, er wünsche sich Kinder. Sie hatte jahrelang alle möglichen Mittel gegen Unfruchtbarkeit versucht. David hatte sich stets geweigert, ärztlichen Rat einzuholen. Jetzt wuÃte Clete, warum. Der Schweinehund schoà mit Platzpatronen, und niemand sollte es erfahren. AuÃerdem hatte er die Schuld für ihre Kinderlosigkeit subtil Vanessa zugeschoben und damit ihre Minderwertigkeitsgefühle, ein Schlüsselsymptom ihrer Krankheit, noch verstärkt.
Natürlich hatte Clete kein ganz reines Gewissen. Er hatte einen Teil der Ehequalen, die seine Tochter durchlitten hatte, zu verantworten. Wo war er in all diesen Jahren gewesen? Weshalb hatte er nicht gesehen, was jetzt so offensichtlich war? Er war zu sehr damit beschäftigt gewesen, David ins WeiÃe Haus zu bringen, um zu erkennen, daà David Vanessas Liebe grausam zurückgewiesen hatte.
Solange sie alles tat, was er verlangte, seine Pläne nicht durchkreuzte und die ihr zugedachte Rolle spielte, war David zufrieden. Er hatte eine langmütige, schöne Frau, die seine beiläufigen Affären übersah. Aber als Vanessa den Spieà umdrehte
und von einem anderen Mann schwanger wurde, hielt David die Todesstrafe für gerechtfertigt.
Ja, Barrie Travis und Gray Bondurant hatten die Wahrheit gesagt. Sie hatten Clete die Augen geöffnet: David Merritt hatte seiner Tochter das Leben zur Hölle gemacht; David Merritt hatte seinen Enkel ermordet; David Merritt hatte ihn verraten; David Merritt muÃte vernichtet werden.
Aber dieses Ziel lieà sich nicht
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